108 Die Zeit der Militärreorganisation.
wenn auch verschieden uniformiert, das preußische Reglement fast durchgängig
an. König Wilhelm war es vorbehalten, das militärische Einigungswerk zweck-
dienlich und erfolgreich abzuschließen.
Die Militärreorganisation vollzog sich in den Jahren 1859 bis 1862.
Nach dem Kriege vom Jahre 1866 begann die Umwandlung des gesamten
deutschen Heerwesens auf Grund des preußischen Wehrsystems. Der Mehrzahl
unsrer jungen Leser, die zum Teil mit Rücksicht auf Erlangung der Berech-
tigung zum einjährig-freiwilligen Dienst heutzutage höhere Lehranstalten be-
suchen, sind Bezeichnungen wie: „Einjährig-Freiwilliger“, „Reserve-Offizier"
ganz geläufige Begriffe geworden. Nach der deutschen Wehrordnung können
junge Leute von einer gewissen Bildung, die sich während ihrer Dienstzeit selbst
bekleiden, ausrüsten und verpflegen, und welche durch Ablegung eines Examens
ihre Kenntnisse in dem vorgeschriebenen Umfange dargelegt haben, schon
nach Ablauf einer einjährigen aktiven Dienstzeit im stehenden Heere zur
„Reserve“ beurlaubt werden. Die Einjährig-Freiwilligen aller Waffen sind,
soweit sie durch ihre allgemeine Bildung hierzu geeignet erscheinen, zu Offizieren
und Unteroffizieren der Reserve auszubilden. Ihre dienstliche Ausbildung er-
halten sie durch hierzu kommandierte, besonders befähigte Offiziere. Diejenigen
Einjährig-Freiwilligen, welche sich gut geführt und ausreichende Dienstkenntnis
erworben haben, werden nach halbjähriger Dienstzeit zu Gefreiten befördert
und erhalten dann theoretische und praktische Unterweisung in allen Dienst-
obliegenheiten des Offiziers und Unteroffiziers, sowie in den besonderen Standes-
pflichten der Offiziere. Am Schlusse der aktiven Dienstzeit werden dann die
Einjährig-Freiwilligen einer Prüfung unterworfen, von der die Zuerkennung
der Qualifikation zum Reserve-Offizier abhängig ist.
Um die Führerschaft unsres Heeres auch in den unteren Graden wirksam
zu machen, geht mit den eben angeführten Einrichtungen die Heranbildung eines
tüchtigen Unteroffizierstandes Hand in Hand, zu welchem Behufe man Unter-
offizierschulen in allen Teilen unfres Vaterlandes errichtete und weiterpflegte.
Nirgends so wie in Deutschland ergänzen sich so innig Schule, Heer und
Staat, ein wertvolles Ergebnis sechzigjähriger Vorarbeiten unter den aller-
verschiedensten Wandlungen, welche die Nation über sich hat ergehen lassen
müssen. Im Hinblick auf die durch Schule und Leben hervorgerufene treffliche
Vorbildung befindet sich das stehende Heer sowohl wie die Reserve und Land-
wehr im Besitz eines so vorzüglichen Offizier= und Unteroffizierkorps, wie kaum
irgend ein andrer Staat sich dessen rühmen kann. Hierin liegt auch die Bürg-
schaft für die Sicherheit der Fortentwickelung unsres nationalen Lebens auf
Grund der großen Umwandlungen und Gesetzgebungsakte, welche in den letzten
Jahrzehnten vor sich gegangen sind.
FKriegerische Abungen. Die neue Lewaffnung und Ausrüstung. In Hin-
sicht auf die Verbesserung der Bewaffnung und bezüglich der Ausrüstung und
Ausbildung des Soldaten waren, wie bereits an andrer Stelle angedeutet, schon
unter König Friedrich Wilhelm IV. große Umwandlungen zum Besseren und
Zweckmäßigeren vor sich gegangen. Gründliche Übungen und neue Versuche,
sowie weittragende Verbesserungen der Kriegswaffen hatten stattgefunden; alle