Full text: Fünfzig Jahre aus Preußens und Deutschlands Geschichte.

110 Die Zeit der Militärreorganisation. 
behrlichen metallglänzenden und grellfarbigen Teile einzuführen sei. Die Ent- 
scheidung darüber wird von weiteren Versuchen abhängen, welche die Militär- 
behörde anstellen läßt. 
Das Zündnadelgewehr. Die Verbesserungen auf dem Gebiete des heutigen 
Militärwesens haben in dem damaligen Prinzen Wilhelm, unserm ersten Kaiser, 
einen eifrigen Förderer gehabt, dagegen ist die Einführung des Zündnadel- 
gewehres auf das Interesse zurückzuführen, welches König Friedrich Wilhelm IV. 
der Erfindung des geschickten Kunstschlossers Dreyse in Sömmerda, welcher die 
neue Schußwaffe schon im Jahre 1827 erdachte, zuwendete. Sie ward jedoch 
erst 1841 endgültig in einem vielfach verbesserten Modell, zuerst bei den 
Füsilierbataillonen, in Gebrauch genommen. Als im Jahre 1849 Preußen 
gegen den Aufruhr in Baden und Sachsen einschritt, war das Dreysesche Zünd- 
nadelgewehr bei einem Teile der Infanterie bereits eingebürgert. In den 
folgenden Jahren gelangte es bei der ganzen Armee zur Verausgabung, und 
es ist seitdem fortwährend an seiner Verbesserung gearbeitet worden. Die Ent- 
wickelung dieser interessanten, für die spätere Zeit so bedeutsamen Waffe blieb 
jedoch der Neuzeit vorbehalten; man nahm Bedacht, Verbesserungen behufs 
Erzielung erhöhten Schnellfeuers, einer flacheren Flugbahn und einer möglichst 
geringen Streuung der Geschosse hervorzurufen, was man durch das sogenannte 
„aptierte Zündnadelgewehr“ erzielte. An die Stelle des letzteren trat nach dem 
Kriege von 1870/71 das Mausergewehr, das sich als vortreffliche Waffe be- 
währte. Neuerdings genügte aber auch dieses nicht mehr den Ansprüchen. Das 
Bestreben, im gegebenen Augenblick die Feuergeschwindigkeit auf das denkbar 
höchste Maß zu bringen, veranlaßte die Einführung des Repetiergewehres, 
des Mehrladers, wie man es auch mit einem deutschen Ausdruck bezeichnet. 
Das zuerst angenommene Repetiergewehr mit großem (11 mm) Kaliber blieb 
aber nur wenige Jahre im Gebrauch. Nachdem inzwischen das rauchschwache 
Pulver (ein chemisches Erzeugnis aus Schießbaumwolle und Nitroglycerin) 
erfunden und dessen große Vorteile erkannt waren, machten die besonderen 
Eigenschaften desselben die Einführung des sogenannten Kleinkaliber-Repe- 
tiergewehrs erforderlich. Die Feuerwirkung dieses neuen Gewehres, dessen 
mit einem Mantel aus Hartmetall umgebene Geschosse etwa die Stärke eines 
Bleistifts (8 mm) haben, übertrifft alles bisher auf diesem Gebiet Erreichte. 
Bei sehr großer Tragweite (bis 3000 m) besitzen die neuen Geschosse eine 
außerordentliche Durchschlagskraft, so daß selbst starke Bäume und gewöhnliche 
Ziegelmauern dagegen keine ausreichende Deckung gewähren und deshalb ganz 
neue Vorschriften für das Feuergefecht notwendig geworden sind. 
Die neuen Geschütze. Seit 1851 hatten ununterbrochen Versuche mit den 
gezogenen Kanonen, die statt der Kugel eigentümlich geformte Langgeschosse 
schleuderten, stattgefunden, und sie führten zur Verdrängung der wegen ihrer 
Weichheit weniger dauerhaften Bronze durch den härteren und leichteren Guß- 
stahl, sowie zur allmählichen Einführung des Systems der Hinterladung, über 
dessen Zweckmäßigkeit längere Zeit große Meinungsverschiedenheit vorwaltete. 
Welche ungeheneren Summen auf Herstellung sicher treffender gezogener Ge- 
schütze verwendet werden, erhellt aus dem Umstande, daf beispielsweise die englische
	        
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