Full text: Fünfzig Jahre aus Preußens und Deutschlands Geschichte.

126 Die Zeit der Militärreorganisation. 
Ausnutzung jeder Lage und in verläßlichster Genauigkeit der Berechnungen zeigt 
sich die „Genialität“ dieses Instituts. 
Der Feldzugsplan ist im großen und ganzen schon vor dem Ausmarsche 
entworfen. Er wird naturgemäß mannigfache Abänderungen erfahren. „Kein 
Operationsplan“, so belehrt uns das Werk des preußischen Generalstabes über 
den Feldzug im Jahre 1870, „kann mit einiger Sicherheit über das erste Zu- 
sammentreffen mit der feindlichen Heeresmacht hinausreichen. Nur der Laie 
glaubt in dem Verlaufe eines Feldzuges die voraus geregelte Durchführung 
eines in allen Einzelheiten festgestellten und bis an das Ende eingehaltenen ur- 
sprünglichen Planes zu erblicken. Gewiß wird der Feldherr seine großen Ziele 
stetig im Auge behalten, unbeirrt darin durch die Wechselfälle der Begebenheiten, 
aber die Wege, auf welchen er sie zu erreichen hofft, lassen sich weit hinaus nie 
mit Sicherheit vorzeichnen."“ 
Die Leitung der Schlacht. Auf dem Schlachtfelde in seiner riesigen räum- 
lichen Ausdehnung tritt heute die sichtbare Thätigkeit des Feldherrn viel mehr 
zurück, als man dies gewöhnlich denkt; die kommandierenden Generale nur sind 
während des Kampfes eigentlich noch im stande, Führerschaft zu üben. Oft 
sind es in den Kämpfen der letzten Jahrzehnte auch einzelne Abteilungen ge- 
wesen, welche den Anstoß gegeben und die Entscheidung gebracht haben. Diese 
selbst tritt am Schlachtabend den Truppen in vorderster Linie durchaus nicht 
klar entgegen, denn nur die Vorgänge innerhalb ihres Gesichtskreises werden 
sie übersehen können; aber auch der Feldherr empfängt die verschiedenen Nach- 
richten, aus welchen sich das Bild vom Stande der Dinge zusammensetzen läßt, 
erst in der Nacht oder am andern Morgen durch Meldungen von verschiedenen 
Seiten des Kampffeldes. Eine Verfolgung bis zum letzten Atemzuge, wie sie 
unter minder großen Verhältnissen früher nicht selten war, kehrte während 
des großen Deutsch-französischen Krieges nicht wieder, wohl aber tritt nach er- 
langter Klarheit ohne Zeitverlust die Aufnahme und Anordnung neuer Opera- 
tionen ein. Mehr als es sonst der Fall gewesen, wird durch jeden großen 
Kampf eine meist völlig neue Lage geschaffen. — — — 
Ein großes Heer in der Schlacht zu befehligen, ist unter den solchen 
Umständen eine überaus schwierige Aufgabe. „Das wilde Element des Krieges“ 
tritt hier in voller Entfesselung auf. Mit den Fortschritten in der Waffen- 
technik sind die Kriege im allgemeinen unblutiger geworden, aber nur, weil die 
einzelnen Szenen des Kampfes sich furchtbarer gestalten und der Eindruck, den 
sie hervorrufen, erschütternder wirkt alls ehedem. Der Donner der vielen 
hundert Geschütze vereinigt sich zu unaufhörlichem Dröhnen, das Gewehrfeuer 
wird zum Heulen des gewaltigen Sturmes, der Pulverdampf lagert sich dicht 
über das Gelände — ein Kampf in größerem Umfange mit den neuen Repetier- 
gewehren und dem rauchschwachen Pulver hat bisher, obgleich die Heere der 
meisten Großmächte jetzt damit ausgerüstet sind, noch nicht stattgefunden; — auf- 
Meilenweite tobt der Kampf in Bergen, Wäldern und Dörfern. Frische Bataillone# 
von tausend Streitern verschwinden, wenn ihnen unerwartet das Feuer des 
Feindes entgegenschlägt, in Zeit von Minuten. Weniger als eine Viertel- 
stunde genügte bei Mars-la-Tour, um auf dem äußersten linken Flügel von
	        
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