Full text: Fünfzig Jahre aus Preußens und Deutschlands Geschichte.

Leitung der Schlacht. 127 
4500 Streitern 2500 tot oder verwundet niederzustrecken, und ähnliche Szenen 
wiederholten sich auf allen Teilen der Schlachtlinie. · 
Wiewohl der Einfluß, welchen der Feldherr auf dem Schlachtfelde auf 
den Verlauf des Kampfes zu üben vermag, heute nur ein sehr beschränkter ist, 
so muß er doch wohl oder übel alle Zufälle und Folgen von Handlungen oder 
Mißgriffen zahlreicher Unterführer auf sich nehmen. Die Beherrschung der Er- 
eignisse, die eigentliche Leitung der Schlacht hört heute im Grunde genommen 
auf, sobald der Oberbefehlshaber die Heeresmassen an den Feind gebracht hat. 
Sie in Erfolg versprechender zweckmäßiger Weise heranzuführen, vermag er 
noch, dann aber geht die Schlacht ihren eignen Weg. Dies war weder zu Zeiten 
Friedrichs des Großen noch Napoleons I. der Fall, sondern ist erst durch die 
Vermehrung der Heere, durch die Verstärkung der Kriegsmittel und die außer- 
ordentliche Verschiebung aller Raumverhältnisse so geworden. Man denke nur 
an die Wandlung, welche mit den Handfeuerwaffen vor sich gegangen ist. 
Wemn früher die Gewehre ihre Geschosse auf 300 oder 400 Schritte trugen, 
die Geschütze auf 1000, so regelte sich danach auch der Abstand der Streiter; 
heute haben sich diese Maße verdreifacht, und die Räume zwischen den kämpfen- 
den Parteien wachsen in ähnlichem Verhältnis. Mancher wird getroffen, ohne 
einen Feind überhaupt gesehen zu haben. Aber auch die Breiten, in welchen 
die Truppen sich ergießen, steigern sich ebenso; denn die Wirkung der neueren 
Feuerwaffen duldet die eng geschlossenen Ordnungen nicht mehr. 
Das deutsche Heer, in seiner Hauptmacht auf einer Walstatt vereinigt, 
würde eine Front von sechs oder acht deutschen Meilen bilden; schon durch die 
Entfernung zwischen den Flügeln ist das Eingreifen des Feldherrn so gut wie 
ausgeschlossen. Sind aber in der Vergangenheit schon Schlachten verzeichnet, 
in denen auf beiden Teilen zusammen 400 000 Mann und mehr stritten, so 
kann die Zukunft solche bringen, in welchen eine gleiche Zahl auf jeder Seite 
erscheint. Es würden die Fronten, auf denen gekämpft wird, dann immerhin 
eine Ausdehnung von drei bis vier Meilen erlangen. Dann setzt der große Ent- 
scheidungskampf sich zusammen aus einer Reihe von nebeneinander geschlagenen 
Einzelschlachten mit wohl verschiedenem Ausgange und verschiedenen Folgen. 
Die Beherrschung des Ganzen von einer Stelle aus erscheint dann fast un- 
möglich. Luftballons, Telegraphen und Fernsprecheinrichtungen, Brieftauben= 
dienst und ähnliche neuere Hilfsmittel mögen bei ihrer heutigen Vervollkommnung 
und bei der beständigen ÜUbung ihres Gebrauchs durch besondere Truppenteile 
in einem nächsten Kriege vielleicht in erhöhtem Maße im Interesse der obersten 
Führung zu verwerten sein. Bisher hat die Erfahrung dargethan, daß — die 
Verteidigung von vorher gewählten Stellungen ausgenommen — es sich em- 
pfiehlt, während der Schlacht sich nur der allereinfachsten Mittel, der mit Blei- 
stift auf ein Papierblatt geschriebenen Mitteilungen zu bedienen oder die münd- 
liche Bestellung durch zuverlässige Offiziere zweckdienlich erfolgen zu lassen. 
Kein Wunder! — Wie rasch wechseln nicht alle einzelnen Szenen! — Ehenoch 
eine Meldung an den Oberbefehlshaber über einen wichtigen Vorfall ergeht 
und sein Bescheid erfolgen kann, haben die Verhältnisse sich schon wieder ge- 
ändert. Den Kernpunkt der Sachlage, die Natur der einzelnen Vorkommnisse
	        
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