136 Fürst Otto von Bismarck-Schönhausen, der erste deutsche Reichskanzler.
Iugendzeit. Otto von Bismarck, der einflußreichste Staatsmann seit
Friedrich dem Großen, ward am 1. April 1815 auf dem Stamnsitz seiner
Familie zu Schönhausen in der Altmark, Regierungsbezirk Magdeburg, geboren.
Der Vater zog das Landleben vor, fügte sich aber dem Wunsche seiner Gattin
und nahm mit derselben zeitweilig seinen Aufenthalt in der Landeshauptstadt.
Bismarcks Mutter, die der rühmlich bekannten Leipziger Gelehrtenfamilie
Menken entstammte, war eine kluge, feine Frau, welche die Unterhaltung mit
geistreichen und wissenschaftlich gebildeten Männern liebte. Des Vaters Haupt-
leidenschaft war die Jagd; die Gattin war ausgezeichnet im Schachspiel. Otto,
ihren jüngsten Sohn, hatte sie früh für die diplomatische Laufbahn bestimmt.
Der Knabe verlebte seine erste Jugend nicht auf Schönhausen, sondern in
Pommern, wo die Eltern 1816 von einem Vetter die Lehnrittergüter Kniep-
hof, Jarchelin und Külz im Kreise Naugard geerbt hatten. Kniephof, in einer
freundlichen Gegend, mit schönem Garten, war die Stätte von Ottos Spielen
und Ferienvergnügungen. Zu Neujahr 1822 ward der sechsjährige Knabe
nach Berlin in Plamanns Erziehungsanstalt geschickt, wo ihm die damals noch
herrschende Jahnsche Deutschtümelei wenig behagte. Mit elf Jahren kam er
auf das Berliner Friedrich-Wilhelm-Gymnasium (1827); hier, wie im Gym-
nasium zum Grauen Kloster, in welches der fleißige Schüler 1830 übergesiedelt
war, interessierte er sich besonders für vaterländische Geschichte und lernte
eifrig Französisch und Englisch.
Mit siebzehn Jahren bezog Otto von Bismarck die Universität Göttingen,
wo er drei Semester blieb, wenig studiert, flott gelebt und die meiste Zeit auf
dem Fechtboden verbracht haben soll. Da fehlte es selbstverständlich nicht an
„Rempeleien“, und es folgten ihnen selbstverständlich Duelle und Paukereien.
Ein tüchtiger Schwimmer, Reiter und Jäger, hat er den studentischen Ton,
der seinem frischen, jovialen Wesen zusagte, noch lange in kernhaften Ausdrücken
und einem etwas derben Gebaren, vielleicht unbewußt, aufrecht erhalten.
„Und auf manche glatte Wange
Hat sein Schläger flott und schneidig
Ihr ein Stammbuchblatt geschrieben.“
Von seinen Korpsbrüdern ward er mit Stolz „Achilles“ genannt; den
Mutigsten war endlich die Lust vergangen, mit ihm anzubinden. Im übrigen
war er der liebenswürdigste Gesellschafter und ein treuer verlässiger Geselle.
Eine Wonne war es ihm, seine Ferien in der Heimat verbringen zu
können. Seine tollen Streiche setzten freilich die Hausbewohner nicht selten
in Schrecken. Es geschah, daß er des Morgens aus dem Bette heraus Schieß-
übungen anstellte, wobei er in bezug auf die Ziele für die Pistolenkugeln nicht
eben wählerisch war. Ofenverzierungen, Vasen und ähnliche Dinge hatten
darunter manches zu leiden. Daß er auch eine große Liebhaberei für Pferde
und Hunde an den Tag legte, versteht sich bei einem Junker von selbst; über-
gewaltig schäumte in ihm der feurige Most der Jugend.
Im Herbst 1833 vertauschte er Göttingen mit Berlin, besuchte nun etwas
fleißiger die Vorlesungen und bestand auch rechtzeitig mit ganz gutem Erfolge
das erste Examen.