Full text: Fünfzig Jahre aus Preußens und Deutschlands Geschichte.

Bismarcks diplomatische Laufbahn. 141 
minder gefährlich die Gelüste der kleinen deutschen Regierungen, weil diese 
Kleinstaaten Preußens Macht nur als Stütze benutzten, um etwas europäische 
Mächte zu spielen und Preußen Verlegenheiten zu bereiten. Er forderte „eine 
neue und bildsame Einrichtung auf dem Gebiete des Zollwesens“, eine „Anzahl 
gemeinsamer Institutionen, um die materiellen Interessen gegen die Nachteile 
zu schützen, die aus der unnatürlichen Gestaltung der inneren deutschen Landes- 
grenzen erwachsen.“ Ferner scheint ihm eine „straffere Zusammenfassung der 
deutschen Wehrkraft“ not zu thun; schon sieht er ein, daß kein Grund vorliege, 
vor der Idee einer Volksvertretung am Bunde zurückzuschrecken. Seine aus 
jener Zeit bekannt gewordenen Briefe sind deswegen so interessant, weil sich 
in ihnen schon das politische Programm ausgesprochen findet, welches Bismarck 
später vollständig ausgeführt hat. Zerstört hat er den Bund, aufgehoben „die 
unnatürliche Gestaltung der inneren Landesgrenzen Deutschlands“, errungen 
hat er „ein strafferes Zusammenfassen der deutschen Wehrkraft“, „eine neue 
und bildsame Einrichtung auf dem Gebiete des Zollwesens“, „ein Zollparla= 
ment“ und „eine Volksvertretung“ bei dem neuen Bunde. 
Der Umschwung in seinen Ansichten brachte Bismarck bald sogar in 
Zwiespalt mit seinen alten Freunden von der Junkerpartei. Am 1. April 1859 
wurde er von dem Ministerium der „neuen Ara“ als Gesandter nach Peters- 
burg versetzt oder „kalt gestellt“, wie er an einen Freund schrieb; doch ver- 
stand er es, am Hofe des Zaren jene guten Beziehungen zu Preußen zu 
pflegen, welche Deutschland durch die rückhaltlose Neutralität Rußlands 
während der Kriege von 1866 und 1870 so nützlich geworden sind. Lebhaft 
erklärte er sich von Petersburg aus gegen die in Süddeutschland und in 
manchen Kreisen des deutschen Nordens, die man darum noch nicht zu den 
konservativen zählen durfte, so leidenschaftlich herbeigewünschte Anteilnahme 
oder bewaffnete Vermittelung bei dem Kriege Osterreichs gegen Frankreich und 
Italien im Jahre 1859. „Bei einem Kampfe gegen die Franzosen“, schreibt 
er am 2. Juli 1859, „wird uns Osterreich, nachdem wir die Last von seinen 
Schultern genommen haben, so viel beistehen oder nicht beistehen, wie seine 
eignen Interessen es mit sich bringen; daß wir eine sehr glänzende Sieger- 
rolle spielen, wird es gewiß nicht zugeben.“ Und die Schlußwendung eines 
andern vielbesprochenen Petersburger Briefes Bismarcks lautete: „Ich sehe in 
unserm Bundesverhältnis (mit Osterreich) ein Gebrechen Preußens, welches 
wir ferro et igni (mit Feuer und Schwert) werden heilen müssen.“ Nicht 
lange danach sollte Bismarck in die Lage kommen, die Durchführung eines so 
kriegerischen Programms durch kräftigere „Zusammenfassung“ zunächst der 
preußischen Wehrmacht unter den schwierigsten Verhältnissen vorzubereiten. 
— Die Grundzüge einer preußischen Politik sind gewiß in dem kleinen Ausfsatz 
ausgesprochen gewesen, welchen Bismarck dem König Wilhelm nach einer 
Unterredung in Baden-Baden 1861 überreicht hat, und dies Programm hat 
wohl auch seine in dem folgenden Jahre erfolgte Berufung an das Staatsruder 
entschieden. Dazwischen liegt seine vorübergehende Verwendung als Gesandter 
in Paris seit 23. Mai 1862. Aber schon im September desselben Jahres 
wurde Bismarck dem neuen Wirkungskreise, in den er sich kaum eingelebt hatte,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.