Full text: Fünfzig Jahre aus Preußens und Deutschlands Geschichte.

144 Fürst Otto von Bismarck-Schönhausen, der erste deutsche Reichskanzler. 
reichten, so hatte er sich um ganz Deutschland wohlverdient gemacht. Sein 
gelegentlicher Ausspruch: „der Tod auf dem Schafott kann unter Umständen 
ebenso ehrenvoll sein, wie der auf dem Schlachtfelde“, deutet darauf hin, daß 
Bismarck des hohen Einsatzes bei dem Spiele, dessen Karten er mischte, sich 
wohl bewußt war. 
Übrigens werden von Bismarck aus jener Zeit auch Dinge erzählt und 
Aussprüche ihm in den Mund gelegt, welche er entweder gar nicht gethan hat, 
oder welche Vorgänge berühren, die in absichtlicher oder unabsichtlicher Ver- 
drehung unter den Zeitgenossen Verbreitung gefunden haben. So hat er das 
häufig zu seinen Ungunsten ausgelegte Wort: „Macht geht vor Recht!“ nicht 
gesprochen, sondern nur auf die Thatsache hingewiesen, daß bei Konflikten 
zwischen den verschiedenen Staatsgewalten, bei denen eine jede glaube sich im 
Rechte zu befinden, diejenige den Sieg davontragen werde, welche thatsächlich 
die Macht in Händen habe. 
Bei Bismarcks Schlagsertigkeit in Rede und Antwort ist wohl an- 
zunehmen, daß eine gute Anzahl der ihm zugeschriebenen „geflügelten Worte“ 
in der That von ihm herrührt. Unter die schlagenden Gegenreden, die ihm 
zu jeder Zeit zu Gebote standen, gehört jene Antwort, mit welcher er im 
Jahre 1854 zur Erheiterung aller Kreise von München und Frankfurt am 
Main die ungehörige Frage eines österreichischen Generals abzufertigen wußte. 
Letzterer war mit einem glänzenden Gefolge von österreichischen und bayrischen 
Offizieren, sämtlich im Schmucke ihrer Ehrenzeichen, zu einer Heerschau in 
München erschienen. Unter den Zuschauern befand sich auch Bismarck, und 
dieser hatte zu Ehren des hohen Gastes seine preußische Landwehrleutnants= 
uniform und sämtliche Orden angelegt, mit denen die Höflichkeit der großen 
und kleinen Höse während seiner Bundestagsgesandtschaft ihn bedacht hatte. 
Der General begrüßte ihn und erlaubte sich, auf seine Orden weisend, unter 
Anspielung auf die drohenden Kriegswetter und auf die Zurückhaltung, die 
Preußen während der Kriegsereignisse des letzten Jahrzehnts beobachtet hatte, 
die unvorsichtige Frage: „Exzellenz! — sind die alle vorm Feinde erworben?“ 
„Jawohl, Exzellenz!“ lautete die blitzschnelle Antwort, „alle vorm Feinde, 
alle in Frankfurt am Main.“ 
Die Zeit des Konfliktes war gekommen. Schon im Januar 1863 wurde 
den Kammern das Budget abermals vorgelegt und ihnen das Militärgesetz 
unterbreitet, welches die Grundzüge der Heeresreform enthielt. 
Nachdem infolge eines peinlichen Auftrittes zwischen dem Kriegsminister 
und dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses dieses letztere am 22. Mai in 
einer zweiten Adresse an den König vor allem einen Wechsel des Ministeriums 
erbeten hatte, war am 27. Mai der Landtag in ungnädigen Ausdrücken ge- 
schlossen worden. Das budgetlose Regiment dauerte fort, und das Ministerium 
reizte durch die großes Argernis erregende Preßverordnung vom 1. Juni 
desselben Jahres sowie durch Verfolgung freisinniger Beamten, Nichtbestätigung 
mißliebiger Stadtoberhäupter und dergleichen die öffentliche Stimmung in noch 
höherem Grade.
	        
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