Deutsche Reformpläne. 146
Bismarck sah sich damals von Schwierigkeiten aller Art und mannig-
fachen Verdrießlichkeiten gehemmt. Von verschiedenen Seiten wurde alles
mögliche gethan, um ihn des Vertrauens seines Monarchen zu berauben.
Jeder auffällige Vorgang ward zu seinen ungunsten gewendet, jede gegen den
Ministerpräsidenten gerichtete Schrift dem Könige geschickt in die Hände gespielt
und ausgenützt.
Wiederauftauchen der hessischen Wirren. Schon im Herbst 1861 war
an den Kurfürsten von Hessen preußischerseits die Aufforderung ergangen, den
Wirren in seinem Lande durch Wiederherstellung der Verfassung ein Ende zu
machen. Der Kurfürst hatte dies dem Könige Wilhelm auch brieflich zugesagt
und schien der Ausführung seines Versprechens wirklich näher treten zu
wollen. Bald danach beschlichen ihn jedoch Anwandlungen von Reue, und
inmitten der Vorbereitungen zur Wiedereinführung der Verfassung hielt er
plötzlich inne. Kaum hatte Bismarck erfahren, daß der schlimme Nachbar
wiederum Beunruhigungen hervorzurufen im Begriff stehe, als er an ihn eine
mahnende Zuschrift durch einen — Feldjäger absandte. Nun rief man Himmel
und Erde zu Zeugen der so unerhörten Behandlung eines „gekrönten Hauptes“
an. „Unerhört!“ riefen selbst preußische Junker. Doch das eingeschlagene
Verfahren that seine Wirkung, wohl schon deshalb, weil dem Kurfürsten an-
gedeutet worden war, daß im Ablehnungsfalle dem Feldjäger preußische
Truppen auf dem Fuße folgen und diese bei Bronzell diesmal nicht stehen
bleiben würden.
Daß eine kräftige Persönlichkeit in Preußen die Hand an das Steuer-
ruder gelegt hatte, wurden bald auch die minder Scharfsichtigen gewahr, wenn
sie auch, zumeist in Parteivorurteilen befangen, vorerst nicht zu erkennen ver-
mochten, daß, was sich hier mit einer gewissen Gewaltthätigkeit vorbereitete,
zum Heil für Preußen, ja für ganz Deutschland geschah. Das Ubelwollen
Osterreichs war immer bemerkbarer zu Tage getreten; bei jeglicher Gelegenheit
suchte man Preußen Verlegenheiten zu bereiten und dessen wohlgemeinte
Absichten zu durchkreuzen, so namentlich auch beim Abschlusse des seitens des
Zollvereins mit Frankreich vereinbarten Handelsvertrages. Die Verstimmung
nahm daher immer mehr zu, so daß im Dezember 1862 Herr von Bismarck
dem österreichischen Gesandten in Berlin, Grafen Karolyi, schlankweg erklärte:
seine Meinung gehe dahin, daß schon in nächster Zeit sich die Beziehungen
zwischen den beiden Staaten durchaus zum Besseren wenden müßten. Die Her-
stellung eines besseren Einvernehmens zwischen beiden Großstaaten, das von
ihm selbst bereitwillig begünstigt werde, sei aber undenkbar, solange das
Wiener Kabinett fortfahre, die Bundesregierungen zu ungunsten Preußens zu
beeinflussen. Es sei unabweisbar, daß fortan die Leitung der deutschen An-
gelegenheiten gemeinschaftlich von Preußen und Osterreich auf Grund ehrlich
gemeinter Verständigung erfolge.
Der Kernpunkt des zwischen beiden Großmächten fortdauernden Gegen-
satzes bestand, wie wir schon früher andeuteten, darin, daß man in Wien die
Reform des Deutschen Bundes auf Grundlage der Verfassung eines Staaten=
bundes — zu gunsten Osterreichs — ernstlicher ins Auge gefaßt hatte.
Baterl. Ehrenbuch U. 10