148 Fürst Otto von Bismarck-Schönhausen, der erste deutsche Reichskanzler.
kürzlich den Ausspruch gethan, „Osterreich habe seinen Schwerpunkt in Ofen
zu suchen“, und damit dem Keiserstaate die Berechtigung, an der Spitze von
Deutschland zu stehen, gewissermaßen abgesprochen hattel
König Wilhelm erklärte dem Kaiser Franz Joseph, er könne es nicht für
zweckmäßig erachten, wenn ein Fürstenkongreß veranstaltet werde, bevor die
Pläne seitens der Minister genau geprüft worden seien. Indes der Kaiser
ließ sich dadurch nicht abhalten, am Tage darauf, nachdem er Gastein ver-
lassen, eine förmliche Einladung zur Teilnahme an dem Kongreß zu Frankfurt
an sämtliche Souveräne Deutschlands abzusenden. Mittels Telegraph lehnte
König Wilhelm am 4. August nochmals die Einladung ab und schlug am
nämlichen Tage in einem amtlichen Antwortschreiben dem Kaiser vor, die
neuen Bundesreformentwürfe vorher in Ministerialkonferenzen des engeren
Bundesrates prüfen zu lassen. Dann erst sei es an der Zeit, daß die Fürsten
in einem Kongreß über die Ergebnisse der Beratung entschieden.
Der Kaiser erneuerte jedoch seine Einladung mit dem Hinzufügen, der
König möchte, falls er selbst zu erscheinen verhindert sei, einen der königlichen
Prinzen nach Frankfurt entsenden. Der König antwortete darauf ablehnend.
Wie Bismarck über die keiserlich-österreichischen Reformpläne dachte,
darüber gibt eine denkwürdige Stelle des von ihm an die preußischen Ge-
sandten erlassenen Rundschreibens Auskunft.
Sie lautet also: „Für jetzt erkläre ich nur, daß die österreichischen Re-
formpläne weder der berechtigten Stellung der preußischen Monarchie, noch
den berechtigten Interessen des deutschen Volkes entsprechen. Preußen würde
der Stellung, die seine Macht und seine Geschichte ihm in dem europäischen
Staatenverein geschaffen haben, entsagen und Gefahr laufen, die Kräfte des
Landes Zwecken dienstbar zu machen, welche den Interessen des Landes fremd
sind, und für deren Bestimmung uns dasjenige Maß von Einfluß und Kon-
trolle fehlen würde, auf welches wir einen gerechten Anspruch haben.“
Auf eine Ablehnung des Königs gefaßt und ihrer Sache und des Aus-
falls der Abstimmung sicher, glaubten jetzt die unter sich einigen deutschen
Fürsten auch ohne den König von Preußen vorgehen zu sollen. Und so
traten am 17. August vierundzwanzig deutsche Fürsten und deren Vertreter
und Ratgeber sowie die Abgesandten der vier „Freien Städte“ zu Frankfurt
a. M. zusammen.
In der alten Reichsstadt ging nun abermals das Vorspiel zu einer
Kaiserkürung in Szene. Unter dem Vorsitz des Kaisers Franz Joseph wurde
am 1. September der österreichische Entwurf einer Bundesreform mit geringen
Abänderungen fast einstimmig angenommen, aber weiter kam man nicht. Schon
während der ersten Beratungen konnten sich die weiter Schauenden schließlich
doch nicht verhehlen, daß das Wegbleiben des Königs von Preußen dem ge-
planten Werke von vornherein den Stempel der Hinfälligkeit auspräge. Dem-
gemäß wurden nochmals Versuche unternommen, den König Wilhelm, der
damals in Baden-Baden weilte, nachträglich zum Eintritt in den Kongreß zu
bewegen. Bei ihm erschienen der König Johann von Sachsen und dessen