Vorspiel des Krieges. 153
und zu Anfang der fünfziger Jahre mit eingegriffen, schließlich die Segel
streichen müssen. Preußens Zeit war damals noch nicht gekommen. Jetzt
war das anders geworden.
Die Dänen wußten von diesem Wandel der Dinge anscheinend nichts oder
glaubten wenigstens sich auch jetzt noch darüber hinwegsetzen zu können. Nach-
dem es ihnen gelungen war, den Ansturm Preußens zweimal auszuhalten,
meinten sie auch neuen Anfechtungen getrost widerstehen zu können, zumal
sie sich nach wie vor des Schutzes der nordischen Mächte, die einer Macht-
erweiterung Preußens und Deutschlands nach dem Meere hin widerstrebten,
versichert halten durften. Von der Wandlung in dem Kräfteumlauf des preu-
ßischen Staatskörpers, von der Erregtheit der Deutschen hielt man in Kopen-
hagen nicht viel. Dort erschien Deutschland zerrüttet, die Unthätigkeit und
Uneinigkeit am Sitze der deutschen Bundesbehörde war männiglich bekannt,
und schon deswegen zweifelte man an einem Aufraffen zur That; außerdem
rechneten die Dänen auch, falls sie deutscherseits ernstlich bedroht würden, auf
wirksamen Beistand wenigstens Englands und Schwedens. Der Hoffnung auf
Unterstützung durch Napoleon III. mochten sie sich im Ernste wohl kaum hin-
gegeben haben. In welchen Zwiespalt mit sich selbst wäre dieser auch ge-
raten, wenn er dasjenige, was er in Italien gefördert und — wenn auch nicht
ohne eigennützige Nebenabsichten — thatkräftig unterstützt hatte, in Deutschland
hätte verurteilen wollen! Im Namen der Nationalität hatte der italienische
große Staatsmann Graf Cavour Italien für Italien in Anspruch genommen,
und es war ihm auch wirklich gelungen, den größten Teil der Halbinsel mit
Sardinien zu einem nationalen Königreich Italien zu vereinigen. Deutschland
ward von den Alpen bis zur Eider von dem gleichen heißen Verlangen nach
Einheit durchzittert, und der Erfolg der italienischen Einigungsbewegung hatte
ja gezeigt, was einem zielbewußten Wollen möglich ist! »
Weil man Deutschland für schwach hielt, Preußen bis zum Überdruß
mit sich selbst beschäftigt sah, fuhr man in Dänemark fort, die alten Pläne
weiter zu verfolgen, und diese Pläne zielten am letzten Ende dahin, Schleswig
dem dänischen Staate gänzlich einzuverleiben und das Deutschtum in der Be-
völkerung völlig auszurotten. „Dänemark bis zur Eider!“ hieß das Feldge-
schrei der in Dänemark herrschenden Partei, die nach jener Losung „Partei der
Eiderdänen“ genannt wurde. Aus dem Schoße dieser Partei war der Ent-
wurf zu einer neuen Verfassung hervorgegangen, welche die Verein igung von
Schleswig mit Dänemark zu einem Ganzen verwirklichen sollte. Der König
zögerte, einem solchen Entwurfe seine Unterschrift zu geben, da es auf der
Hand lag, daß die Ausführung den Landesrechten widersprach, durch welche
Schleswig und Holstein als ein unzertrennliches Ganzes anerkannt worden
waren. Während des Anstürmens der Eiderdänen war nun Friedrich VII. plötz-
lich gestorben. Ihm folgte Herzog Christian von Holstein-Glücksburg auf den
dänischen Thron. Von einem Aufstand der Kopenhagener Bevölkerung be-
droht, genehmigte der neue König, Christian IX., jene Verfassung.
Die am 18. November 1863 erfolgte Unterzeichnung der Urkunde be-
deutete den Krieg mit Deutschland.