166 Der Deutsch-dänische Krieg.
Das ist lange nicht so einfach, wie es sich erzählt, wenn der Feind auf
der Lauer steht und durch wohlgezielte Schüsse das beliebige Hin= und Her-
bewegen menschlicher Gestalten recht merklich sich verbittet. Der Artilleriechef
dachte daran, wie er sich die Sache erleichtern könne. Er stieg vom Pferde,
nahm das Gewehr eines unfern dahingestreckten toten Dänen auf die Schulter
und hieß einen Feuerwerker seines Gefolges dasselbe thun. Die Kriegslist
gelang. Die vermeintliche Patrouille schien dem Feinde nicht des Beschießens
wert. Vorsichtig weiter schleichend, stieß der Oberstleutnant gleich nachher auf
eine Gruppe preußischer Offiziere. Er warnte diese, sich dem Feuer so unvor-
sichtig auszusetzen, da die Dänen sich aufs Zielen verständen. Kaum hatte er
diese Worte gesprochen, als eine vierundachtzigpfündige Granate zwischen ihm
und den preußischen Offizieren einschlug und platzte. Die Preußen sahen zuerst
sich an, dann forschte ihr Auge nach dem Osterreicher, den sie für einen ver-
lorenen Mann hielten. Doch als der Rauch verzogen, trat der Totgeglaubte,
ohne eine Miene zu verziehen, aus dem Qualm hervor. „Sehen Sie, meine
Herren, daß die Dänen gar nicht schlecht schießen“, bemerkte er, ein Spreng-
stück der Granate zu sich steckend. Der Knall der Explosion war aber so heftig
gewesen, daß der alte Artillerist zwei Tage hindurch auf dem rechten Ohre
taub blieb.
Unter großen Schwierigkeiten wurden die Geschütze auf dem Königsberge
aufgestellt. Der Feind unterhielt fortwährend ein wirksames Feuer gegen
diesen wichtigen Punkt. Aber auch dieser Tag endigte günstig für die Waffen
der Verbündeten. Indessen war die Einbuße an Menschenleben an beiden
Tagen verhältnismäßig recht groß; der Verlust von 30 Offizieren und 519 Mann
war zu beklagen. Aber ein grünes Lorbeerreis war erworben! Die Acht-
zehner -Jäger und die Regimenter „König von Preußen“ und „Belgien-
Infanterie“ bewährten glänzend ihren alten Ruhm. Das Beispiel der Offiziere
und erprobter älterer Kriegsleute ermutigte die jüngeren, und diese zeigten sich
ihrer Vorbilder würdig. Eine Szene während des heißen Kampfes am
3. Februar muß besonders erheiternd und erhebend zugleich gewirkt haben. Da
benutzten zwei frische Bursche, Kadetten vom Regiment „Martini“, einen augen-
blicklichen Halt im dichtesten Kugelregen, um — das wiederholte Knurren
ihres Magens zum Schweigen zu bringen und sich durch ein Vesperbrot zu
weiteren Thaten zu stärken. Unbekümmert um die links und rechts einschlagenden
Kugeln breiteten die Tollköpfe ein Taschentuch auf der Erde aus, langten dann
ihre einfachen Bissen Brot und Speck aus ihren Schubsäcken und ließen sich's
schmecken für sechs, indem sie ihre Delikatessen mit schlechten Witzen über die
„hartgesottenen dänischen Bohnen“ würzten. Der eine dieser unverdrossenen
Kameraden war ein Wiener Kind, der andre ein „gelungener“ Berliner.
Unter den bei Oberselk Gefallenen befand sich auch der Oberstleutnant
Karl Bayer von Mörthal. Als dieser Tapfere den ersten Schuß in den
linken Arm erhielt, überwand er den Schmerz und drang, seinen Leuten ein
Vorbild der Kühnheit, ungestüm weiter vor, indem er heiter rief: „Gut ge-
schossen, Figur links getroffen!“ — wie die Jäger beim Scheibenschießen sagen.
Ungeachtet seiner Verwundung verließ er den Kampfplatz nicht eher, als bis