Full text: Fünfzig Jahre aus Preußens und Deutschlands Geschichte.

Vor den Schanzen. 187 
wohlgemut und raucht dabei seine Pfeife ruhig fort. Verdrießlich ist er nur, 
wenn ihm der Tabak ausgeht.“ 
„Dergleichen lustige Jungens gibt's noch manche“, meinte ein junger 
bartloser Gardehusar, auf einen älteren Kameraden hinschielend; „nur treibt's 
ein jeder auf seine Art. Ich sollte — es war am 1. März — einen von unsrer 
Eskadron ablösen. Er stand am Hafen Posten, und als ich auf ihn zukam, 
bemerkte ich von weitem schon, daß er in sehr behaglicher Stimmung sich be- 
fand. Er hatte nämlich unterdessen einen Kampf mit einem Feinde zur See 
ausgefochten. Während er so dastand und an nichts dachte, taucht aus dem 
Meereswasser ein Seehund hervor und streckt sich behaglich auf das Eis einige 
Schritte von dem überraschten Kameraden. „Dunnerkiel! wat is dat?“ fragt 
dieser so laut, daß es der Seehund sehr gut hören konnte. Der aber verstand 
„nur das Dänischreden und zeigte wenig Lust zu einer Unterhaltung mit dem 
Wachtposten. Darüber ergrimmt, gibt nun der Kamerad seinem Pferde die 
Sporen, sprengt im Galopp gegen den dämlichen Kerl von Seehund heran 
und führt einen so unbarmherzigen Hieb auf den Schädel des fetten Meer- 
bewohners, daß er diesen richtig erschlägt und eine Stunde nachher für acht 
Thaler verkaufen konnte. Unser braver Kamerad meinte, das wäre doch ein- 
mal der Mühe wert gewesen, Vorposten zu stehen.“ — Alles lachte; einer 
aber mehr als alle andern, und alle sahen auf diesen hin. 
„Da unser Kamerad es so gut versteht, andern etwas nachzureden“ — 
so ließ sich, als es wieder stiller geworden war, der Seehundsjäger vernehmen, 
denn er war's selbst in eigner Person — „so muß er sich gefallen lassen, 
wenn es heißt „Wurst wider Wurst!“ Wißt ihr, Kameraden, den Spaß, den 
sich der Flaumbart mit seinem Rittmeister erlaubt hat? Hört nur! Er ge- 
hörte mit zu den Einberufenen unsres Regiments, die noch nicht völlig ein- 
exerziert waren. Beim Ausmarsch aus Potsdam baten nun einige dieser 
Rekruten — und darunter auch er — den Feldzug mitmachen zu dürfen. Doch 
der Rittmeister schlug ihnen das Gesuch rund ab. Keiner war darüber nieder- 
geschlagener als unser Mann. Was thut er aber? O, der weiß sich schon zu 
helfen! Wenige Stunden vor dem Ausrücken war einer der älteren Soldaten 
krank geworden und mußte zurückgelassen werden. Kaum hört dies besagter 
heißhungriger Dänenfresser, als ein doppelt kühner Entschluß bei ihm erwacht. 
Er steckt sich in seine Montur, packt seine Siebensachen zusammen und schließt 
sich weniger vorschriftsmäßig als heimlich dem Zuge der Mannschaft nach dem 
Bahnhofe an. Es gelingt ihm, in ein Koupee zu kommen, wo er ganz still 
Platz nimmt und abwartet, bis sich der Zug in Bewegung gesetzt hat. Kaum 
aber läßt sich die Pfeife der Lokomotive und das Rollen der Räder vernehmen, 
da legt sich unser Held ins Fenster des Wagens und ruft frohlockend dem am 
Bahnhofe zurückgebliebenen Kapitän zu: „Sehen Sie, Herr Rittmeister, nun 
komme ich doch mit!“ Beistimmender Jubel der Mannschaft schallte ihm ent- 
gegen, und selbst der Rittmeister konnte sich eines beifälligen Lachens nicht 
erwehren. Außer diesem hatte aber auch noch eine hohe Person ihre Freude 
an dem Stückchen des Ausreißers, und so geschah ihm nichts — er sitzt da 
lebendig und leibhaftig, wie ihr alle seht.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.