Full text: Fünfzig Jahre aus Preußens und Deutschlands Geschichte.

8 Zustände in Deutschland, Preußen und Österreich. 
blieben gerade denjenigen vorbehalten, die mit den Waffen des Geistes gegen 
die Fremdherrschaft gekämpft hatten. 
Der österreichische Staatskanzler Fürst Metternich, nicht minder die Minister 
mancher andern Staaten, welche in seiner Schule sich gebildet hatten und die 
das unumschränkte Schalten und Walten der Fürsten, denen sie auf diese Weise 
zu dienen glaubten, als das höchste Staatsgesetz anerkannt wissen wollten — 
dazu eine Legion von abhängigen liebedienerischen Menschen und grau gewor- 
denen, meist zurückgebliebenen Beamten, auch manche Dunkelmänner, die mehr 
für ihr persönliches als für das Staatsinteresse bedacht waren, fürchteten sich 
vor demselben Geiste, der unser teures Vaterland frei gemacht hatte von den 
Banden der Fremdherrschaft. Alles, was nach Freiheit im bürgerlichen Leben, 
in Handel und Wandel und auf den Gebieten der Wissenschaft und Forschung 
verlangte, ward für höchst gefährlich gehalten; die besten Männer fielen der 
Verfolgungssucht, gar oft den schändlichsten Verdächtigungen zum Opfer. 
Allerdings zeitigte die herrschende Gärung und Erregung unter der 
studierenden Jugend auch eine verwerfliche, verbrecherische That: die Ermor- 
dung des dramatischen Schriftstellers und russischen Staatsrats August F. F. 
von Kotzebue, von dem eine Anzahl Studierender glaubte, daß er an der 
Verfolgung der allgemein verehrten Professoren Luden und Okern schuld sei, 
und daß er nur deswegen in der Nähe der deutschen Universitätsstadt Heidel- 
berg seinen Sitz aufgeschlagen habe, um das Treiben der jungen Leute besser 
zu überwachen und darüber an den Kaiser Alexander von Rußland und die 
Mitglieder der „Heiligen Allianz“ zu berichten. Ein Jenenser Student, der 
Burschenschafter Karl Ludwig Sand, faßte deshalb in einem Augenblick unbe- 
dachter leidenschaftlicher Erregung den Plan, den Feind der akademischen Lehr- 
freiheit und der Jugend zu ermorden. Und in der That verblutete Kotzebue 
am 23. März 1819 unter dem Dolche des überspannten Jünglings. Letzterer 
endete, wie das Gesetz es verlangte, auf dem Schafott, zugleich aber erfolgten 
auf Grund niedriger Angebereien zahlreiche Einkerkerungen von angeblichen 
Mitschuldigen, und mit den Studenten litten und duldeten eine Menge der 
besten und erprobtesten Männer der Wissenschaft und andrer gebildeter 
Kreise, darunter auch der biedere Jahn, der treffliche Arndt und viele andre 
Patrioten. 
Die Karlsbader Seschlüsse. Gewiß verdiente eine That, wie diejenige 
Sands, gleichviel aus welchen Beweggründen sie hervorgegangen war, die 
strengste Verurteilung und gesetzliche Ahndung; aber eine wirkliche Gefahr für 
Staat und Regierung waren die damaligen Jugendträumereien und die nament- 
lich in den Verbindungen der Studierenden und in einzelnen Kreisen von 
jüngeren Beamten und Künstlern zu Tage tretenden Bestrebungen durchaus 
nicht. Noch weniger konnte von sträflichen Verbindungen mit ausländischen 
Verschwörern die Rede sein, welche den von den Gegnern absichtlich verbreiteten 
Glauben gerechtfertigt hätten: diese jungen schwärmerischen Leute gingen darauf 
aus, einen Umsturz aller bestehenden staatlichen Verhältnisse herbeizuführen. 
Aber die unter dem Einfluß des Fürsten Metternich stehenden leitenden Re- 
gierungskreise, namentlich in Osterreich und Preußen, waren nun einmal von
	        
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