14 Zustände in Deutschland, Preußen und Österreich.
derung, die er den Bestrebungen in Kunst und Wissenschaft verhieß und zu-
wandte, ließen das Beste hoffen. Freilich verflochten sich in der Sinnesart des
Königs mit diesem hohen Wollen gewisse romantische Neigungen, die öfter sein
Urteil über die wirklichen Verhältnisse und Bedürfnisse trübten. Er machte
zunächst dem Streite mit der katholischen Kirche und den widersetzlichen und
deshalb aus ihren Sprengeln entfernten Bischöfen ein Ende, erließ eine all-
gemeine Amnestie, beschränkte die Zensur und berief im Jahre 1847 den Ver-
einigten Landtag nach Berlin, dem das Recht der Steuerbewilligung zu-
gesprochen ward.
Eine eigentliche Verfassung zu verleihen, weigerte sich jedoch der König
entschieden; auch notwendige Verbesserungen der Verwaltung ließen auf sich
warten. Der streng kirchlichen Richtung angehörig, wünschte er, derselben auch
in seinem Volke Eingang zu verschaffen, und mit diesem Streben und mit der
strengen Auffassung des Königtums von Gottes Gnaden, wie sie Friedrich
Wilhelm IV. zu eigen war, schien sich die Gewährung der damals allerdings
vielfach über das Notwendige hinausgehenden liberalen Forderungen, die auch
auf Trennung der Kirche vom Staate gerichtet waren, nicht zu vertragen. Auch
fürchtete der König durch Verleihung einer liberalen Verfassung eine Schwächung
der Macht Preußens nach außen.
Es läßt sich nicht leugnen, daß Staaten, die sich darauf hingewiesen sehen,
eine kräftige äußere Politik zu verfolgen, sicherer gewisse Ziele erreichen, wenn
die gesamte Macht des Staates in einer Hand liegt. Deshalb ernennen ja
selbst Republiken in der Stunde der Gefahr einen Diktator. Eine solche Ge-
fahr lag für Preußen und Deutschland indessen noch fern. Vielmehr freute
man sich hier der bei dem Aufschwung der Gewerbe und des Handels mehr
und mehr reifenden Früchte des Friedens. Auf den neu geöffneten Verkehrs-
wegen, unter denen die schnell in immer weiterem Umfange zur Einführung
gelangenden Eisenbahnen eine große Rolle spielten, kamen eine Menge Menschen,
die sich in der Welt umgesehen hatten, miteinander in Berührung und halfen
sich den Umkreis ihrer Anschauungen gegenseitig erweitern. „Überall sagt
man“, so hieß es, „das deutsche Volk sei das bestunterrichtete und weitaus das
gebildetste unter allen Nationen des Erdballs. Wenn dies wahr ist, wie kommt
es, daß gerade wir gebildeten Deutschen es noch nicht zu den freien Einrich-
tungen andrer Staaten gebracht haben? Unser Volk ist ebenso reif für die
Mitwirkung bei der Leitung seiner inneren Angelegenheiten wie die andern.
Laßt uns zusammentreten und beraten, wie wir zu den uns versprochenen und
uns doch versagten Freiheiten und Rechten gelangen.“
Nur zu bald kehrte sich das Vertrauen, mit dem man der neuen preu-
Wischen Regierung entgegengekommen war, in Mißvergnügen um. Der Geltend-
machung und Besprechung der politischen Wünsche und Forderungen in Ver-
einen und öffentlichen Versammlungen standen allerdings mancherlei Schwierig-
keiten im Wege. Alle Vereinigungen, die irgendwie „staatsgefährlich“ schienen,
waren ja verboten, und ein Vereinsrecht gab es nicht. Indessen die Wort-
führer der großen Menge ließen sich nicht abschrecken, immer wieder auf den
Stand der nationalen Angelegenheiten zurückzukommen.