Full text: Fünfzig Jahre aus Preußens und Deutschlands Geschichte.

24 Zustände in Deutschland, Preußen und Osterreich. 
als endlich eine Einigung zustande gekommen war, die Wahl des als Volks— 
freund allbeliebten Erzherzogs Johann von Osterreich zum Reichsverweser, 
der so lange an der Spitze des Reiches stehen sollte, bis ein erwähltes Ober- 
haupt die deutsche Kaiserkrone angenommen haben würde; auch die Be- 
rufung des trefflichen Gagern an die Spitze der Notabeln der Nation hatte den 
vollen Beifall der großen Mehrheit des deutschen Volkes gefunden. 
Der Bundestag schien ohne Sang und Klang zu Grabe gegangen zu sein. 
In den weiten Hallen der Paulskirche zu Frankfurt saßen in den Maitagen 
des Jahres 1848 all die bewährtesten und mutigsten Kämpfer für Freiheit 
—– und Recht und größere 
politische Einigkeit in 
Deutschland; neben den 
jüngeren die Grau- 
köpfe, welche schon für 
die Befreiung des Vater- 
landes vom Joche der 
Fremdherrschaft ge- 
kämpft und späterhin 
jahrzehntelang Verfol- 
gung und Anfechtung 
aller Art erlitten hatten 
wegen ihres mannhaften 
Einstehens für das, was 
jetzt überall zum Gesetz 
erhoben werden sollte. 
So schien es, als 
sei das deutsche Volk 
dem erstrebten Ziele 
endlich einen großen 
Schritt näher gekommen. 
Es gab einen Rat der 
. » .-" Nation, in welchem viele 
Ersherzog Johann von C nierreich, dentscher Reichsverweier. der besten und edelsten 
Männer derselben saßen, es gab auch einen Reichsverweser, welcher, in ge- 
wissem Sinne über den Regierungen der Einzelstaaten stehend, deren zum 
Teil weit auseinander gehende Bestrebungen überall da vereinigen sollte, 
wo es sich um die gemeinsamen Angelegenheiten des großen deutschen Vater- 
landes handelte. Als aber der Augenblick kam, wo sich die neue Einrichtung 
praktisch bewähren sollte, da zeigte sich wieder, daß alle Machtbefugnisse 
des deutschen Parlaments und des Reichsverwesers schließlich doch nur auf 
dem Papier standen. Es fehlte die starke ausführende Gewalt, es fehlte 
der Reichsregierung die Macht, sich da zur Geltung zu bringen, wo alle die 
einzelstaatlichen Regierungen zu freiwilligen Opfern und Verzichtleistungen 
im Interesse des großen Ganzen nicht zu bewegen waren. Die Vertreter des 
Einheitsgedankens im deutschen Volke verlangten mehr, als unter den gegebenen 
 
	        
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