Full text: Fünfzig Jahre aus Preußens und Deutschlands Geschichte.

Die große Parade vor Wien. 351 
die flutenden Marschwellen wieder von dannen geführt hatten. Man hat Zeit 
sich zu sammeln und empfindet, daß der „Dreißigtägige“ Krieg kein Traum 
gewesen ist. Von Wien herüber, dessen Vorstädte unter dem Kahlenberge in 
blendender Weiße sich abheben, redet der dunkle Stephansturm in stummer 
Beredsamkeit eine wunderbare Sprache. Da erscheint der König! Auf dem 
linken Flügel der Aufstellung rauscht es: Hurra! und das „Heil dir im 
Siegerkranz!“ der Spielleute ertönt. Im einfachen Generalsrock, auf dem 
Rappen, der seinen königlichen Reiter nach dem Schlachthügel und übers 
Schlachtfeld rings um Chlum getragen, reitet der allgeliebte Kriegsherr daher, 
die unabsehbare Reihe der Regimenter entlang, väterlich grüßend: „Guten 
Morgen, Kinder!“ und von jubelndem Hurra umrauscht. Endlich ist auf dem 
äußersten rechten Flügel des dritten Treffens das letzte Hurra verklungen, und 
die Formierung der Regimenter in Bataillonskolonnen mit Kompagniefront 
erfolgt. Mit seinem glänzenden Gefolge hält der König am linken Flügel. 
Der Parademarsch beginnt. Voran erscheint die 5. Division, die Gitschiner 
Bergkletterer. Prinz Karl setzt sich an die Spitze seines 12. Regiments und 
führt dasselbe bei seinem königlichen Bruder vorüber. Das 3. Ulanenregiment 
„Kajser Alexander" trabt heran. Ihm folgt die 6. Division, die „eiserne 
Reserve“ der I. Armee, welche am 3. Juli die höchste Soldatenprobe, 
stundenlang im Granatfeuer vor einem unsichtbaren Feinde zu stehen, so glänzend 
bestanden hatte. Prinz Friedrich Karl reitet zuerst seinem 64. Regiment und 
dann seinem Zieten-Husarenregiment, das bei Chlum in den Feind gejagt, 
entgegen und führt es an dem Könige vorüber, der seinem Feldherrn und 
Neffen die Hand darreicht. Jetzt zeigen sich die Landsberger Dragoner; Oberst 
von Heinichen führt sie nicht mehr, der schläft auf dem Königgrätzer Schlacht- 
felde, aber es lebt der preußische Reitergeist in diesem wackeren Regiment von 
Geschlecht zu Geschlecht fort. Nun marschiert heran die 7. und 8. Division 
— die Fahnen neigen sich vor dem Könige, während er grüßt und den näher 
kommenden Regimentskommandeuren seine Zufriedenheit ausdrückt. Die Reihen 
der Bataillone, besonders der 7. Division, sind stark gelichtet; die neumärkischen 
Dragoner — nicht ohne Wehmut kann man sie dahin reiten sehen; die 
4. Schwadron erscheint kaum mit der Hälfte ihrer Mannschaften auf dem 
Heerschaufelde. General von Fransecky feiert einen Tag, den alle seine 
Truppen mitfeiern, und die Division Horn, der noch bei Preßburg ein Lorbeer- 
kranz geflochten war, steht ebenbürtig neben ihrer Schwesterdivision. Prinz 
Adalbert führt sein (31.) thüringisches Regiment an dem Könige vorüber. 
Nun setzt sich die Kavalleriedivision, lauter glänzende Regimenter, unter ihrem 
Kommandeur Prinz Albrecht (Vater) in Bewegung. Der Marsch der Hohen- 
friedberger Kürassiere, hatte er je volltönender geklungen als heute und hier? 
Auch der Artillerie sei gedacht, die so oft der Infanterie „Ruhe verschaffte“; 
sie rasselt mit ihren kräftigen Pferden vorüber; dann folgen Pioniere, Ponton- 
trains, Feldtelegraphen-Abteilungen, Krankenwärter-Kompanien 2c. 
Der König sammelt die Generale jetzt um sich und spricht Worte zu 
ihnen, die Freudenthränen über bärtige Wangen rinnen machen. „Es ist 
Gottes Werk“, sagte er, „was wir heute vor uns sehen — Gott allein die
	        
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