Schleswig-Holstein. 27
Entschlossen, aber ohne Erfolg, hatten die Schleswig-Holsteiner gegen die
im „offenen Briefe“ des Königs Christian VIII. enthaltenen Zumutungen
Widerspruch erhoben. Als unser Volk im Jahre 1848 im Norden Deutschlands
das Recht seiner bedrängten Stammesgenossen wahren und zum Schutze des
deutschen Volkstums gegen die dänische Vergewaltigung einschreiten wollte,
da stand ihm nicht die Gunst des rechten Augenblicks zur Seite. In bezug auf
die Nordmarken herrschte im Frühjahr 1848 noch große Vertrauensseligkeit.
„Schleswig -Holstein meerumschlungen“ sang damals allerorten jeder für
deutsches Recht erglühende Jüngling, auch die Alten sangen freudig mit. Aber
es war nur ein kurzes Aufflackern und Aufjauchzen des Volksgeistes; so viel
auch gesungen und gejubelt worden ist, gar viele wackere Deutsche sangen und
jubelten, ohne eigentlich recht zu wissen, um was es sich handelte. Meerum-
schlungene deutsche Provinzen, die der Däne unterdrücken und denen er deutsche
Sprache und Sitte rauben wollte — das war meist alles, was man wußte.
Als aber der Krieg in den Nordmarken unvermeidlich geworden war, zeigte
sich die Ohnmacht und Hilflosigkeit der damaligen deutschen Reichsgewalt im
traurigsten Lichte.
Die „schleswig-holsteinische Frage“ war im Grunde ein Erbfolge-
streit, wie solche im vorigen Jahrhundert mehrere, so der spanische, öster-
reichische und bayrische, hatten ausgefochten werden müssen. Die meisten
Fürstentümer und Königreiche in Deutschland waren ursprünglich aus erblich
gewordenen Lehen hervorgegangen und darum, wenn sie auch immer größere
Selbständigkeit begehrten und erlangten, doch stets Teile des großen Deutschen
Reiches geblieben. Das Herzogtum Schleswig war nun ein dänisches, das
Herzogtum Holstein aber ein deutsches Reichslehn; beide Lande hatten jedoch
eine gemeinschaftliche Verfassung, und längst hatte ihnen ein königliches Ver-
sprechen gewährleistet, daß sie immer vereinigt bleiben sollten, „up ewig un-
gedeelt", wie es in den Urkunden heißt. Die dänischen Könige trachteten aber
längst danach, die verfassungsmäßige Selbständigkeit von Schleswig-Holstein
zu beseitigen und die schönen deutschen Lande, die ihnen nur lehnspflichtig
waren, ihrem Reiche Dänemark einzuverleiben. Uber zweihundert Jahre lang
haben die Dänen mit List und Gewalt auf dieses Ziel hingearbeitet; der feste
Sinn der deutschen Bevölkerung jedoch ließ ihnen das nicht gelingen, und wenn
sich auch Friedrich IV. als König von Dänemark in Schleswig huldigen ließ, so
traten doch die deutschen Herzöge von Augustenburg immer wieder für das ur-
alte Recht ihrer Mutterlande ein. Selbst im Jahre 1806, als das ganze Deutsche
Reich zusammengefallen war, gelang es den Dänen nicht, sich Holstein einzuver-
leiben. Wie damals an vielen andern Orten unsers Vaterlandes geschehen, so
wurden freilich auch hier deutsche Männer gezwungen, unter der Dänenfahne
gegen Napoleons Feinde zu Felde zu ziehen, und selbst der Pariser Friede brachte
ihnen nicht ihr volles Recht; aber Holstein wurde doch deutsches Bundesland
und mußte mit Schleswig unter einer besonderen Statthalterschaft vereinigt
eiben.
Es ist viel über die Rechte der Herzogtümer und die Gewaltthätigkeiten
und Ränke der Dänen geschrieben und gestritten worden. So viel aber ist