Full text: Fünfzig Jahre aus Preußens und Deutschlands Geschichte.

Der Krieg im Jahre 1848. 35 
platze zurückrufe. König Friedrich Wilhelm IV. stand noch unter dem er— 
schütternden Eindruck der Vorgänge der Märztage, und seine Entschließungen 
wurden dadurch beeinflußt. Die Haltung Rußlands und Englands war eine 
derartige, daß die Zurückweisung ihrer an Preußen gestellten Zumutungen 
voraussichtlich zum Kampfe gegen die vereinten Kräfte beider Nachbarn führen 
mußte. Sollte König Friedrich Wilhelm IV. einen solchen Kampf allein 
aufnehmen? Durfte er darauf rechnen, daß das deutsche Volk sich auf seinen 
Ruf einmütig erheben würde? Gab es auch damals schon eine große Partei 
in Deutschland, welche den deutschen Einheitsstaat mit dem König von Preußen 
als Kaiser an der Spitze erstrebte, so war doch im allgemeinen in allen Mittel- 
und Kleinstaaten eine unverhohlene Abneigung gegen das „Preußentum“ über- 
wiegend. In Preußen selbst wurde, namentlich seitens der militärischen 
Kreise, diese Gehässigkeit mit entschiedener Ablehnung aller „großdeutschen“ 
Bestrebungen erwidert und die schwarzweiße Fahne den Bundesfarben überall 
vorangestellt, und unter den Ratgebern des Königs hatten diejenigen das 
Ubergewicht, welche dafür eintraten, daß der König vor allem an sein eignes 
Land denke und die Mittel= und Kleinstaaten sich selbst überlasse. Dazu kam, 
daß sich, trotz ihrer Machtlosigkeit, die in Frankfurt a. M. forttagende deutsche 
Nationalversammlung gerade damals in der Rolle eines machtvollen Souveräns 
gefiel, eines Souveräns, dem bei seiner Vielköpfigkeit leider nichts recht zu 
Dank zu machen war. Endlich fehlte auch Friedrich Wilhelm IV. selbst der 
kriegerische Geist; er war, was selbst seine Bewunderer eingestehen, kein Mann 
der That. Alexander von Humboldt, der den König um seines Herzens und 
seiner edlen Absichten willen hoch verehrte, äußerte bei einer Gelegenheit: „der 
König handle, wo es geschehe, stoßweise, ohne Zusammenhang und rechtes 
Maß; oft wage er gerade das nicht, was er am stärksten wünsche.“ 
Alles dies wirkte zusammen zu dem Entschlusse des Königs, der in Deutsch- 
land umsomehr überraschte, weil man vielfach sogar geglaubt hatte, die Preußen 
seien deshalb so thatkräftig in Schleswig-Holstein vorgegangen, weil ihnen 
selbst nach dem Besitze der Herzogtümer gelüste. Jetzt sah man sie nicht 
nur Jütland, sondern auch den ganzen nördlichen Teil Schleswigs wieder auf- 
geben. Damit war natürlich das Schicksal des ersten schleswig-holsteinischen 
Krieges überhaupt besiegelt. Nachdem mit den Preußen der weitaus tüchtigste 
Teil des gegen die Dänen kämpfenden Heeres ausgeschieden war, vermochten 
die zunächst noch im Felde bleibenden Bundestruppen, zumal bei dem Mangel 
einer verständigen und einheitlichen Leitung, nicht mehr viel auszurichten, und 
bei Sundewitt, Nübel und Düppel am 28. Mai und 5. Juni gewannen die 
Dänen wieder die Oberhand. 
An diesem bedauerlichen, aber unter den obwaltenden Verhältnissen un- 
vermeidlichen Ausgange des mit freudiger Begeisterung und frohen Hoffnungen 
begonnenen Kampfes konnte auch das tapfere Verhalten einzelner kühner 
Männer, so des schon damals vielgenannten bayrischen Oberstleutnants von 
der Tann (des späteren Generals, der als Anführer im Deutsch-französischen 
Kriege im besten Andenken steht) nichts mehr ändern, aber es hob, wenigstens 
für den Augenblick, den Mut der Niedergedrückten. · 
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