64 Preußen gegen die Umsturzbewegung.
obgleich solche unerläßlich war, um den unbotmäßigen Sinn des Militärs zu
brechen und die bewaffnete Macht zu Zucht und Gehorsam zurückzuführen.
Statt die Ausschreitungen der Parteiführer durch die Mittel, welche das Gesetz
an die Hand gab, zu unterdrücken, zeigten die Männer, welchen der Landesherr die
Zügel der Regierung anvertraut hatte, eine in diesem Falle übel angebrachte
Nachgiebigkeit und glaubten durch Zuwarten der von ihnen vertretenen Sache
zu nützen. Damit brachten sie indessen das Staatsschiff nicht aus der gefährlichen
Brandung in einen Sicherheit bietenden Hafen, vielmehr geriet gerade durch
die Unentschlossenheit der Regierung schließlich der ganze Staatsbau ins
Schwanken.
Dleas Signal zum Aufstande in der Pfalz gab das sehr unsichere Ver-
halten der badischen Regierung, indem dieselbe für das Reichsgrundgesetz ein-
stehen zu müssen glaubte. Selbst der Spießbürger der Residenz geriet in
Harnisch, als er sah, wie das Reichsparlament seine eigne Auflösung vorbereitete;
auch ihm dünkte, daß nur noch in der Verkündigung der Republik das Heil zu
finden sei. Der Unmut über das Scheitern der vaterländischen Hoffnungen
reizte die äußerste Partei von neuem zu verwegenen Schritten, und sie trat
bald mit ihren Absichten entschiedener hervor. Am 13. Mai erbrach und
plünderte der Pöbel das Zeughaus zu Karlsruhe, und die Soldateska ver-
brüderte sich hier wie an andern Orten mit den Volksmassen. Mehrere
Offiziere büßten während des Straßenkampfes ihre Pflichttreue mit dem Leben.
Der Großherzog flüchtete bei Nacht und rettete sich unter den Schutz der
Kanonen von Germersheim. Am Morgen darauf zogen sämtliche treugebliebene
Offiziere und ein Teil der Artillerie von dannen.
Die Greuel des Bürgerkrieges verbreiteten sich jetzt über ganz Baden.
Auch nach Hessen und Württemberg trugen die Apostel des Umsturzes die
Fackel des Aufruhrs. Die Bergstraße und die benachbarten Teile der Pfalz,
wo die Umsturzmänner gleichfalls kurze Siegesrausche feierten, wurden zu-
nächst durch die treu gebliebenen großherzoglich hessischen Truppen besetzt, die
sich wacker mit den Aufständischen herumschlugen. Inzwischen verbreiteten
unheilverkündende Beschlüsse von Volksversammlungen Schrecken unter den
wenigen Verständigen, welche noch offen und laut gegen die Zerrüttung aller
bürgerlichen Zustände aufzutreten wagten. Kaum vermochte der Advokat
Brentano, der an der Spitze der Volksvereine stand, die sofortige Ausrufung
der Republik zu verhindern — im Grunde war es ihm auch nur um eine
Vertagung zu thun. Die Einsetzung eines „Landesausschusses“ beruhigte
einigermaßen; Brentano trat an die Spitze der Regierung Badens und berief
zunächst eine „konstituierende Versammlung“ (10. Juni), welche freilich zu
einem guten Teile aus Leuten bestand, die wenig Vertrauen verdienten. Den
Führern der zur Herrschaft gelangten äußersten Linken fehlte es fast allerorten
sowohl an richtiger Auffassung der Bürgerpflichten, als an fruchtbaren, in ge-
sundem Boden wurzelnden Ideen überhaupt. An Unterordnung zum Heile des
großen Ganzen dachte keiner jener Helden des Tages.
Der Prinz von Preußen in Laden. Die deutsche Bewegung, auf blutigen
Bahnen angelangt, konnte nun, so verheißungsvoll sie begonnen, nur noch ein