72 Preußen gegen die Umsturzbewegung.
metzelung zweier angeblicher Spione verlassen, und an seine Stelle war ein
ehemaliger griechischer Offizier Tiedemann, ein geborener Badener, getreten,
dessen Benehmen aber nur dazu beitrug, die Reibereien zwischen der Volks-
wehr und der abtrünnigen Soldateska bis zu einem bedrohlichen Punkte zu
steigern. Trotz dieser Zustände lehnten die Parteiführer, weil sie noch immer
auf Entsatz hofften, die Aufforderung des Generals von der Gröben, ihm den
Platz zu übergeben, entschieden ab. Darauf wurde Festung und Stadt mit
Granaten und glühenden Vollkugeln begrüßt. Schauerlich ertönten die Sturm-
glocken zu dem unvermeidlich gewordenen Werk der Zerstörung, und erschreckt
suchte jung und alt Schutz und Sicherheit in den Kasematten, als ringsum
Dächer und Mauerwerk zertrümmert zusammenstürzten und mehrere Häuser
in Brand gerieten. Es bedurfte der aufopferndsten Thätigkeit der Feuerleute,
um die Stadt nicht ein Raub der Flammen werden zu lassen. Als nun
noch ein am Nachmittag unternommener Ausfall mißglückte, begann man end-
lich doch ruhiger überlegung Raum zu geben und schickte sich an, Unterhand=
lungen wegen Übergabe der Festung anzuknüpfen. Der preußische General
erklärte jedoch auf das bestimmteste, nur auf bedingungslose Übergabe ein-
gehen zu können, indem er alles weitere dem Landesherrn anheim stelle.
Unterdessen hatten sich die noch im Felde verbliebenen schwachen überreste
des Volksheeres über die Höhen des Schwarzwaldes zu retten gesucht, und sie
waren zum Teil schon über die Grenze nach der Schweiz übergetreten. Die
Streitmacht der Aufständischen, welche bisher noch das Feld gehalten, hatte
sich völlig aufgelöst. General Mieroslawski hatte den Oberbefehl niedergelegt
und brachte vor allem seine eigne Person in Sicherheit.
Zwei von der Besatzung Rastatts abgesendete Boten bestätigten das
Schicksal des Volksheeres und brachten die Meldung, daß ein Entsatz nicht mehr
zu erwarten stände, worauf die Bereitwilligkeit zu kapitulieren kundgegeben
wurde. Es war die höchste Zeit; bereits hatte der größte Teil der Soldateska
seine Posten verlassen und zu plündern angefangen. Um sechs Uhr am Abend
des 23. Juli verließen Volkswehr und Soldaten die Festung und streckten,
auf Gnade und Ungnade sich ergebend, die Waffen.
Von seinem Hauptquartier im Lustschlosse Favorite bei Rastatt hatte der
Prinz von Preußen den Fortgang der Belagerung bis zur lbergabe des Platzes
genau verfolgt. Nach der Waffenniederlegung der letzten feindlichen Streit-
kräfte besetzten angesichts des ganzen preußischen Belagerungsheeres die Sieger
um sieben Uhr die noch immer mit 300 Geschützen ausgerüstete Festung. Den
Prinzen von Preußen verlangte nicht danach, einen Blick auf die zuchtlosen
Scharen der Gegner zu werfen.
Die Säuberung des Landes von den Urhebern der Zerrüttung machte
nun rasche Fortschritte. Den ihm vorausgegangenen Häuptern des Aufstandes
war Sigel gefolgt, indem er bereits am 11. Juli den Schweizer Boden be-
treten hatte.
Die Mitglieder der provisorischen Regierung hatten es unterdessen nicht
daran fehlen lassen, ihre Unfähigkeit und Charakterlosigkeit völlig klarzulegen.