Beginn der Bewegung. 79
um uns, wie anläßlich der großen Revolution am Ende des vorigen Jahr-
hunderts, der Segnungen der soeben errungenen Freiheiten teilhaftig zu machen.
Gar bald trat jedoch Napoleon III. als Gesellschaftsretter auf und verkündete
das Wiederaufleben des Kaisertums nach dem Vorbilde seines großen Oheims;
dann, bald nachher, suchte er die Welt durch die Versicherung zu beruhigen, daß
das neue Kaisertum den Frieden bedeute (Limpire c'est la paix.)
weiterhin sorgte er dafür, daß sich Frankreich nicht langweile, und in der That-
hatten die Franzosen einige Zeit hinlänglich mit sich selbst zu thun.
Mit mäßigen Bewilligungen hätte man damals auch in Osterreich große
Befriedigung hervorgerufen. Doch die Mahnungen der Wohlmeinenden ver-
hallten ungehört, die Machthaber in Wien verrieten nicht die geringste Neigung,
Ranm zu unaufschiebbaren Neuerungen zu gewähren. Während die Heißsporne
der Freiheit das Notwendige nur als Abschlagszahlungen annehmen wollten,
pries die Masse der Schwärmer und Trinkstubenpolitiker das geringste Maß
von Freiheiten schon als ein Verjüngungsmittel für den altersschwach hin-
siechenden Kaiserstaat. Fürst Metternich freilich blieb noch immer fest überzeugt,
sein System sei das einzig richtige, weil es ausgereicht hatte, dreißig Jahre
lang eine buntscheckige Bevölkerung von 36 Millionen in Zucht und Ordnung
zu halten. Dabei wollten die Lobredner dieses Systems es nicht einmal gelten
lassen, daß dasselbe in der Hauptsache auf der Unterhaltung einer Legion von
Polizeitrabanten sowie auf den Bajonetten der bewaffneten Macht beruhte.
Die Folgen dieser Wirtschaft zeigten sich zunächst in dem Zustande der öster-
reichischen Finanzen gegenüber der fortdauernden Steigerung der Staats-
erfordernisse, und am unmittelbarsten in den Anstrengungen zweier der öster-
reichischen Herrschaft unterthänigen Völker, die sich der Fesseln, in welche eine
rücksichtslose Gewaltherrschaft sie fester und fester geschlagen hatte, zu entledigen
suchten. Man wollte nicht einsehen, daß die durch örtliche und geschichtliche
Verhältnisse, durch Sprache, Sitten, Gewohnheiten und Gesetze innig mit dem
übrigen Italien verbundenen Lombarden und Venezianer niemals ihre Zu-
sammengehörigkeit vergessen und ebensowenig ihre darauf gegründeten Hoff-
nungen etwa aus Anhänglichkeit an den deutsch-österreichisch-ungarischen Staat
aufgeben konnten! Überdies hatten die Vertreter der österreichischen Staats-
klugheit sie um die Segnungen betrogen, welche ihnen eine ungehemmte Ent-
wickelung ihrer freien Städteverfassungen wohl gebracht hätte. Nirgends in
Osterreich wäre der Aufbau einer konstitutionellen Staatsverfassung schneller
vor sich gegangen, keine Provinz hätte mit größerem Dank und Eifer das Ge-
schenk einer Verfassung aus den Händen des Kaisers angenommen, als die
italienische, wenn dies vor der Erhebung des übrigen Italiens erfolgt wäre.
Nun hieß es: zu spät! Wie mit Blindheit geschlagen, zögerte man fort
und fort, den italienischen Provinzen auch nur einen geringen Teil der Freiheiten
zu gewähren, welche die andern Fürsten der Halbinsel ihren Staaten, von denen
nur wenige sich an Bildung und Thätigkeit mit den Norditalienern messen
konnten, endlich verliehen hatten. Zu spät kam das Einsehen.
Italien und Galizien hatte man mit eisernem Arm umspannt, das ge-
knechtete Ungarn dürstete nach seiner nationalen Unabhängigkeit — und in