82 Blick auf den Bürgerkrieg in Osterreich und Ungarn, 1848 bis 1850.
blutige standrechtliche Strafexempel ins Gedächtnis zurückzurufen; an mehreren
der vornehmsten Führer und Teilnehmer am Aufstande, darunter, wie schon
erzählt, der deutsche Parlamentsabgeordnete Robert Blum und der Komman-
dant der aufständischen Hauptstadt, Messenhauser, wurde das Todesurteil
vollstreckt. Der siegreiche Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen stellte
hierauf die ganze Monarchie unter das Militärgesetz; der Belagerungszustand
sollte so lange dauern, bis Ruhe und Ordnung allseitig gesichert seien.
In Ungarn war unterdessen die förmliche Lossagung der Magyaren
vom habsburgischen Kaiserhause erfolgt, und die Auflehnung der Kroaten gegen
das magyarische Ubergewicht hatte hier den gänzlichen Umsturz des bisher Be-
standenen beschleunigt. Emsig mühten sich die Freunde des Absolutismus in
der Hofburg zu Wien, das alte System der Aufhetzung einer Nation gegen die
andre in Anweudung zu bringen und das Feuer zu schüren, welches das Haus
des nächsten Nachbarn und Freundes in Asche legen sollte. Dem Bruche
zwischen der Nationalregierung in Pest und dem ungarischen Königtum der
Habsburger folgte ein menschenverheerender Bürgerkrieg, der erst nach Jahres-
frist durch Beihilfe der Russen niedergeschlagen werden konnte.
Thronbesteigung des Kaisers Franz Joseph. Schon vor Beginn des blutigen
Ringens hatte ein kaiserliches Manifest den Reichstag vertagt und zum 15. No-
vember nach Kremsier einberufen. Weitere Ereignisse folgten Schlag auf Schlag;
am 22. November die Bildung des Ministeriums Schwarzenberg, am 2. De-
zember die Abdankung des milden Kaisers Ferdinand, welchem die rücksichtslose
Politik der siegreichen Reaktion widerstrebte. Infolge der Thronentsagung des
nächstberechtigten Erzherzogs Franz Karl gelangte dessen kaum neunzehnjähriger
Sohn Franz Joseph I. auf den Thron der habsburgischen Monarchie.
So endigte das Jahr 1848 auch in Osterreich mit Sturmesgebrause, und
im Rasen der entfesselten Elemente sanken die wertvollsten Errungenschaften
dahin; in dem vernichtenden Orkane ging auch hier eine Menge edler Geister
unter, ein guter Teil teuer gewordener Hoffnungen.
Die dem Hoffnungsrausche so bald folgende Ernüchterung ließ die Halt-
losigkeit des Kittes erkennen, welcher die durch Bildungsverschiedenheit und
Neigungen so sehr widerstrebenden Völker Osterreichs zu einem ungefügigen
Ganzen vereinigt halten sollte; und auch den Nachbarn der Monarchie drängte
sich die Überzeugung auf, wie schwache Stützen den vielgliederigen Bau des
österreichischen Kaiserstaates trugen. Erbittert standen sich Deutsche und Tschechen,
Ungarn und Slawen gegenüber; die Polen, Ungarn und Italiener blieben
jeden Augenblick geneigt, von neuem den Versuch der Erringung nationaler
Selbständigkeit zu wagen.