Absichten für die Vermählung Friedrichs II. 95
Und so wurde dem König Friedrich Wilhelm I diese Frage noch-
mals vorgelegt, die schwierigste, dornenvollste, vielleicht bedeutendste
für sein ganzes Leben, welche er je zu entscheiden gehabt hat; alle
seine öffentlichen, häuslichen und persönlichen Beziehungen wurden
davon berührt.
Er war nicht blind gegen die Vortheile der Verbindung, und
seiner Tochter, die er liebte, hätte er gern das Glück gegönnt, „in
das magnifike Land“ zu kommen, einmal als Königin von Groß-
britannien zu glänzen.
Aber dagegen war er enger als man wußte oder vermuthete,
mit dem Kaiser vereinigt; so viel durchschaute er von ferne, daß
wenngleich noch von keiner politischen Allianz die Rede war, eine
solche doch für die Zukunft beabsichtigt wurde.
Und vornehmlich: für seinen Sohn hielt er die vorgeschlagene
Vermählung keineswegs für so rathsam. Man brauche, sagt er seinen
Ministern, überhaupt nicht mit ihm zu eilen; er selbst, der König,
habe noch nicht das Alter, zu sterben, an seinem Stamme sehe er
noch zwei andere wohlgemachte Reben; der Kronprinz könne dreißig
Jahre werden, ehe er sich vermähle. Ueberdies aber, warum solle
man gerade eine englische Prinzessin für ihn aussuchen. Der König
fürchtete, in dem Luxus eines glänzenden Hoflebens erzogen, werde
sich eine solche in die Einfachheit des preußischen Wesens nicht finden,
sie werde ihren Sinn auf kostbare Vergnügungen richten, hoch hinaus-
wollen, die Sparsamkeit der eingeführten Hausordnung unterbrechen,
und wohl gar durch ihren Aufwand veranlassen, daß man die Armee
vermindern müsse; dann würde seine Verfassung nicht bestehen kön-
nen, sein Haus und Staat würden den Krebsgang gehen2).
Wenn er nachdachte, so waltete für ihn kein Zweifel ob; er
wünschte die Vermählung der Tochter, nicht des Sohnes: daß man aber
in England die letzte als die Bedingung der ersten bezeichnete, blieb
doch auch auf ihn nicht ohne alle Rückwirkung und machte ihn, so stark
er sich auch zuweilen dagegen ausdrückte, in seinem Herzen wieder irre.
1) Einer der ausführlichsten Aufsätze, welcher von seiner Hand vorhanden
ist. Am Schluß; was ist Alliance? (durch Vermählung.) Ist man dann
besser Freund in der Welt? Ja, unter Particuliers; aber große Herren, die
gehen nach dem Interesse. Indessen wünsche von Herzen meinen Blutsfreunden
alles Glück und Wohlseyn, wenn es nur nicht a mes depenses und gegen
meine Verfassung ist, die über den Haufen zu schmeißen: denn das stichet den
Herren Engländer-Hannoveranern in die Augen. Meine Verfassung c'est la
hierre de touche.