Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

98 Fünftes Buch. Viertes Capitel. 
schon aus Rücksicht auf Holland nicht für rathsam. Die Absicht wurde 
gefaßt, eine englisch-französische Armee in Deutschland erscheinen zu 
lassen. Engländer, Hannoveraner, Hessen sollten sich mit ihr ver- 
einigen, — eine Coalitionsarmee zur Ausführung des Tractats von 
Sevilla;z ihr Sammelplatz sollte am Main oder Neckar sein; am ge- 
eignetsten dafür erschien Heilbronn. Mit dieser Armee sollte man 
einen Einfall, wenn nicht in Schlesien, wovon früher die Rede ge- 
wesen war, so doch in Böhmen unternehmen. Man durfte darauf 
rechnen, daß die rheinischen Kurfürsten, mit denen man in gutem 
Verständniß war, keinen Widerstand entgegensetzen würden. 
Die vornehmste Frage war, wie sich der König von Preußen 
dazu verhalten werde. Man kannte sein Verhältniß zu Oesterreich, 
zwar nicht in vollem Umfang:; aber doch genug, um Hindernisse von 
seiner Verbindung mit demselben zu befürchten. Diese Verbindungen 
in ihren Organen zu brechen und zugleich eine enge Allianz mit ihm 
zu schließen, war nun der Zweck der Sendung Hothams. Wir sagen 
nicht, daß die beabsichtigte Doppelheirath nur eben darauf abgesehen 
gewesen sei; aber der Zusammenhang, in welchem die politischen Ver- 
wickelungen und die häuslichen Entwürfe miteinander standen, ist un- 
leugbar. 
Am 2. April traf Sir Charles Hotham in Berlin ein; am 1. 
hatte er in Charlottenburg Audienz bei dem König. 
Sein Vortrag hielt sich fürs erste noch ganz im Allgemeinen. 
Er knüpfte an ein im letzten December eingegangenes Schreiben der 
Königin an, über das er die persönliche Ansicht des Königs zu 
hören gekommen sei. Dieser versichert, in dem Schreiben sei nur 
von einer Heirath zwischen dem Prinzen von Wales und seiner Tochter 
die Rede gewesen (der Entwurf dazu scheint verloren gegangen zu 
sein); er war mit der Eröffnung des Gesandten höchlich zufrieden, und 
ergriff sie mit dem Vergnügen eines Vaters, der einem geliebten Kinde 
die größte Freude, die es sich auf Erden denkt, machen zu können 
hofft. Er bat Hotham, zu schweigen; er hätte lieber gesehen, daß 
das Gerücht verbreitet würde, als sei die Unterhandlung abgebrochen: 
dann wolle er nach der Stadt kommen, und seine Tochter mit der 
Nachricht überraschen, auf welche sie hoffe, wie auf den Messias. Er 
dachte sich aus, wie er sie unerwartet, im Beisein des Gesandten, um 
ihre Einwilligung ersuchen wolle 1). 
1) „er möchte so gut seyn, und seyn still davon bis ich in die Stadt 
käme: hätte er dann Ordre, so wollte in seiner Gegenwart meine Tochter um
	        
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