Fünftes Capitel.
Fluchtversuch des Kronprinzen und dessen Folgen.
Wir sahen oben, in welchem Zustand Friedrich sich befand, wie
sich in ihm die Meinung festsetzte, daß er in der Nähe seines Vaters
nicht leben könne. « «
Schon im Jahre 1729 hat er gedacht, die Reise, die ihm nicht
gestattet wurde, eigenmächtig zu unternehmen. Von einem damals in
Berlin sehr bekannten Manne, Vernezobre, der bei den Law#'schen
Actien in Frankreich viel gewonnen, und nun davon lebte, sein Geld
auf Zinsen auszuthun, lieh er sich eine nach den Umständen ziemlich
ansehnliche Summe und bestellte sich einen Reisewagen in Leipzig.
Bei diesen Vorbereitungen hatte es aber damals sein Bewenden, be-
sonders deshalb, weil der Page Kait, der ihm dabei an die Hand
ging, eben in dieser Zeit in wirklichen Dienst trat, und nach Wesel
versetzt wurde 2).
Auch war noch nicht jede andere Aussicht verschlossen.
Einen Augenblick ließen sich die Dinge noch sehr kriegerisch an:
das Leben im Felde hätte ihm schon an sich größere Freiheit ver-
schafft: wäre es aber wirklich zu Waffenthaten gekommen, das Glück
seinem Muthe günstig gewesen, so würde ein ganz anderes Dasein
für ihn begonnen haben. Der Vater selbst hatte ihn oft auf eine
Campagne verwiesen.
1) Acta inquisitorialin in puncto desertionis des Obristllieutenants
Kronprinzen von des Königs Regiment. — Der Kammerdiener Gummersbach
sagt aus, der König habe ihn nach Kaits Entfernung einst gefragt, ob das
gut sei; er geantwortet: wenn er nur schon früher weggewesen wäre. Ihr
Verhältniß erregte also damals Verdacht.