Fluchtversuch des Kronprinzeu. 107
Statt dessen erfolgte die Aussöhnung; als Hotham nach Berlin
kam, fand er den Kronprinzen schwermüthig und niedergeschlagen,
was die Theilnahme noch steigerte, die er ohnedies erweckte; er lebte
aber bald auf, als er von den Vorschlägen vom 1. Mai unterrichtet
ward, die sich so unmittelbar auf seine Zukunft bezogen. Welch eine
Aussicht für ihn, in seiner gedrückten und mit Bitterkeiten erfüllten
Lage, sich zu einer beinahe selbständigen ehrenvollen Stellung in einem
der angesehensten Kurfürstenthümer erhoben zu sehen. Er willigte in
Alles, was man von ihm forderte: nach England abgerufen werden
zu können, wo dann seine Schwester als Prinzessin von Wales ge-
lebt haben würde, war eher ein Reiz für ihn, als eine Abhaltung.
In Kurzem aber zeigte sich, daß, wenn es jemals dazu komme, er
doch vorher noch manches Jahr der Entsagung und des Dienstes vor
sich habe.
Wir werden nicht irren, wenn wir annehmen, daß eben hierüber
seine früheren Gedanken mit doppelter Stärke in ihm erwachten.
Wenn er versprach, auch gegen seines Vaters Willen, — denn daß
dieser über seine Hand verfügen könne, wollte ihm nicht einleuchten,
die englische Vermählung zu vollziehen, und sich bei seinem Worte
anheischig machte, das auszuführen, so lag dem die Absicht zu Grunde,
die man auch recht wohl durchschaute, sich durch die Flucht aus der
harten Gewalt zu retten, unter der er stand.
Denn täglich ward ihm diese unerträglicher. In jenem Lustlager
von Mühlberg, wo die Augen so vieler Fremden sich auf ihn rich-
teten, ward er wie ein ungehorsamer Knabe, sogar einmal körperlich
mißhandelt, eben damit er fühlen sollte, daß man ihn für nichts
Besseres halte. Der aufgebrachte König, der die Folgen seiner Worte
niemals erwog, fügte der Mißhandlung noch den Schimpf hinzu. Er
sagte, wäre er von seinem Vater so behandelt worden, so hätte er sich
todtgeschossen, aber Friedrich habe keine Ehre, er lasse sich Alles gefallen.
In diesem erhob sich hierüber der Gedanke, auf der Stelle davon-
zugehen. Er hat einmal bei dem sächsischen Minister, Grafen Hoym
angefragt, ob es wohl möglich sei, daß ein paar sächsische Offiziere
unangemeldet nach Leipzig kämen. Dieser antwortete, der Gouverneur
von Leipzig sei aufmerksam und streng. Hoym hatte eine Ahnung
von der Absicht des Prinzen, und warnte ihn, denn er werde sehr
genau beobachtet; eine Empfehlung verweigerte er. Der Prinz über-
legte, wenn er von hier entfliehe, möchte leicht der Verdacht, ihn dabei
begünstigt zu haben, auf den König von Polen fallen, und stand
davon ab.