Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Fluchtversuch des Kronprinzen. 113 
daß Friedrich habe entfliehen wollen, — der König sagte es der Um- 
gebung des Prinzen, nicht diese ihm, — hier aber, fuhr Friedrich 
Wilhelm fort, sei nicht Zeit noch Ort davon zu reden, man müsse 
warten, bis man in das eigene Gebiet nach Wesel komme: Rochow 
werde mit seinem Kopfe dafür stehen, daß er den Prinzen dahin 
bringe, „lebendig“, sagte der aufgebrachte Fürst, „oder todt“. Rochow 
antwortete: der Prinz solle nicht entkommen; man könne sich auf die 
Leute verlassen, die bei ihm seien ). 
Zunächst nahm man den Weg nach Darmstadt: der Prinz ahnte 
noch nicht, daß er verrathen sei — er hat noch dort seinen Antrag 
an Kait erneuert —; bald aber mußte es die Behandlung, die er 
erfuhr, ihn lehren, wenn es ihm auch Niemand gesagt hat. 
Als man nach Bonn kam, suchte der Prinz die Vermittelung 
Seckendorfs nach; so sehr dieser auch sonst in Gnaden stand, so ver- 
mochte er hierin nichts: der König war nicht allein aufgebracht; er 
vermuthete ein Geheimniß, und wollte einer Sache, welche in die 
Frrungen einschlug, die ihm die widerwärtigsten auf der Welt waren, 
schlechterdings auf den Grund kommen. 
Am 12. August, des Abends, langte man in Wesel an. 
Und hier war es nun, wo der Streit zwischen dem an sich 
wohlmeinenden aber rücksichtslosen, selbst tyrannischen Vater, und dem 
Sohn, der seine Lage unerträglich fand und nach Unabhängigkeit 
dürstete, zu einem Ausdruck kam, in welchem die persönliche Differenz 
mit der militärischen Ordnung der Dinge und der politischen Lage 
verschmolz und die schwersten Folgen herbeizuführen drohte. 
So spät es schon war, so lud der König den Prinzen sogleich 
zum feierlichen Verhör vor. Er ermahnte ihn, Gott seinem Herrn 
und seinem Vater die Ehre zu erweisen, alle Umstände der vorgehabten 
Desertion, denn unter diesem Gesichtspunkt einer militärischen Pflicht- 
verletzung faßte er die Sache, zu gestehen. 
Der Prinz machte keinen Versuch, zu leugnen: er nannte auch 
seine beiden Vertrauten, den ältern Kait und Katte, von denen er 
voraussetzte, daß sie sich gerettet haben würden. 
Kait, von einer Weisung des Prinzen erreicht, hatte wirklich 
einige Tage zuvor Wesel verlassen und war nach Holland gegangen:; 
nur vergeblich versuchte der König seine Auslieferung zu bewirken; 
er entkam glücklich nach England. 
1) Relation welche S. Kgl. Maj. von des Kronprinzen intendirten Re- 
traite mir zu Papier dictirt haben, wie S. Hoheit und übrige darin benannte 
Personen zu vernehmen, — von Mylius. 
v. Ranke's Werke XXVII. XXVIII. 8
	        
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