Fluchtversuch des Kronprinzen. 115
liehen, der ihm Juwelen verkauft und abgekauft; auch ein junges
Mädchen, Dorothee Ritter, Tochter eines kurz vorher nach Potsdam
gekommenen Schulmannes, die er ein paar Mal an ihrer Hausthür
gesprochen, und der er einige kleine Geschenke gemacht hatte; auf das
härteste mußte sie büßen.
Aus den Aussagen, die in den Acten vorkommen, ist unsere
Erzählung der Ereignisse zusammengesetzt worden; das Merlwürdigste,
was außerdem daraus hervorgeht, ist die Haltung des Prinzen.
Er bekennt, daß er sehr Unrecht gethan habe, und sucht sich nicht
zu vertheidigen. Nur will er nicht zugestehen, daß der Fluchtversuch
als Desertion betrachtet werden dürfe; so könne man es nicht nennen,
daß er sich der Ungnade seines Vaters habe entziehen wollen. Dabei
entschlüpft ihm nichts, was seiner Mutter oder seiner Schwester hätte
zur Last gelegt werden können. Ueber das Verhältniß zu England,
das sein Vater kennen zu lernen besonders begierig ist, das aber
nicht so entscheidend gewesen war, wie derselbe wohl dachte, drückte
er sich mit Vorsicht und Zurückhaltung aus.
Bei einem Verhör, das auf dem Wege nach Cüstrin zu Mitten-
walde, am 8. September mit ihm vorgenommen wurde, mußte er
erfahren, daß Katte nicht entkommen sei, und man deutete ihm an,
es könne diesem wohl das Leben kosten. Er ließ seinem Vater vor-
stellen, er möge ihn als den Schuldigen ansehen, und Katte als den
Verführten: er, als des Königs Sohn, habe auf jeden Fall die
größere Strafe verwirkt; er würde sein Leben lang seine Seelenruhe
nicht wieder finden, wenn Jemand seinetwegen den Tod erleiden sollte.
So kam er nach Cüstrin, wo er in eigentlich scharfen Arrest
genommen ward: in einem Zimmer, das mit neuen starken Schlössern
und Riegeln verwahrt wurde; an der Thür standen zwei Wachen,
auf der Treppe noch eine; der wachthabende Offizier schlief in dem
Vorzimmer: Niemand durfte länger bei ihm bleiben als vier Minuten.
Der König hatte die Artikel selbst aufgesetzt, auf welche hier am
16. September durch den Generalauditeur Mylius ein neues Verhör
mit ihm angestellt wurde. Besonders merkwürdig sind darunter die
letzten, gegen die Mylius einige Einwendungen machte, wegen der
Folgen, die daraus entspringen könnten: der König wiederholte ihm
jedoch den unabänderlichen Befehl, sie dennoch vorzulegen 1). Der
1) „Ich befehle es euch: es ist meine strenge Ordre, die ich habe selber
meinem Secretär in die Feder dictirt; ich befehle euch, meine Ordre auf
meine Verantwortung zu exequiren.“
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