Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

116 Fünftes Buch. Fünftes Capitel. 
erste ist: was ein Mensch verdiene, der seine Ehre breche und Com- 
plotte zur Desertion mache; der Prinz antwortete: er glaube nicht 
gegen die Ehre gehandelt zu haben. Der zweite: ob er sich noch für 
würdig halte, Landesherr zu werden; der Prinz: er könne sein eigener 
Richter nicht sein. Der dritte: ob er sein Leben geschenkt haben 
wolle oder nicht; der Prinz: er unterwerfe sich der Gnade des Königs. 
Es war die schwerste Stunde, die er noch erlebt, wo seine Geistes- 
gegenwart auf eine ernste Probe gestellt wurde. Endlich kam Mylius 
auch mit dem vierten und letzten Artikel hervor: da Friedrich sich der 
Succession unwürdig gemacht, indem er seine Ehre gebrochen, da er 
auch sein Leben verwirkt habe, ob er, um dieses zu retten, auf die 
Erbfolge Verzicht leisten wolle, dergestalt, daß die Renunciation von 
dem Reiche bestätigt werde. Der Prinz antwortete gefaßt und be- 
sonnen, an seinem Leben liege ihm so viel nicht, aber er denke, Se. 
Majestät werde nicht so ganz ungnädig auf ihn sein. Nach Beendi- 
gung des Verhörs stieg ihm die Besorgniß auf, sein Vater wolle ihn 
in ewigem Gefängniß halten. Er bat die Commission, ihn noch ein- 
mal zu hören, was am 1. October geschah. Diese glaubte schon, 
er werde etwas mehr von dem Antheil Englands bekennen; er 
blieb aber nur bei den letzten Artikeln stehen, und erklärte, fort- 
währender Arrest würde ihm unerträglich sein, lieber sei ihm Verzicht- 
leistung oder der Tod. Solle er sterben, so möge man es ihm bei 
Zeiten sagen: könne er aber durch Renunciation die Gnade des Kö- 
nigs erlangen, so wolle er sich dem Willen desselben darin unter- 
werfen; der König möge mit ihm machen, was er wolle, so werde er 
ihn dennoch lieben und verehren. . 
Nachdem die Verhöre beendigt waren, wurde ein Kriegsgericht 
in Köpenick niedergesetzt, um über den Prinzen und seine Mitschul- 
digen zu sprechen. Es war nach dem für den militärischen Rang 
des Prinzen in Anwendung kommenden kriegsrechtlichen Gebrauche 
aus 3 Generalmajors, 3 Obersten, 3 Oberstlieutenants, 3 Majors, 
3 Capitäns 1) zusammengesetzt; den Vorsitz führte der Generallieu= 
tenant Schulenburg, ein Mann, der militärisches Wesen mit sehr aus- 
gesprochenen religiösen Gesinnungen vereinigte, ganz wie der König 
es wünschte. Die beiden Auditeurs Mylius und Gerbett waren 
zugegen. 
1) Die Generale: v. Schwerin, Graf Dönhof, v. Linger; die Obersten: 
v. Derschau, v. Stedingk, v. Wachholz; Oberstlieutenants: v. Weiher, v. Schenk, 
v. Milageheim; Majore: v. Einsiedel, v. Lestewitz, v. Lüderitz; Capitäns: 
v. Podewils, v. JFeetze, v. Itzenplitz.
	        
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