Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

122 Fünftes Buch. Fünstes Capitel. 
entschlossen war: er befand sich ungefähr auf einer Stufe des Staats- 
lebens, wie Cardinal Richelien hundert Jahre früher, der die Be- 
ziehung, in welche sich Spanien zu der böchsten Gewalt in Frankreich 
setzen wollte, in der Mutter und dem Bruder seines Königs mit ge- 
waltsamem Eifer bekämpfte. Uebrigens sehen wir hier nur einen 
Vater, der seinen Sohn und Nachfolger nach seinem Sinn haben 
will; und einen Sohn, in dem sich ein angeborener Bildungstrieb 
dagegen sträubt, der einer abweichenden Lebensansicht ohne Bedenken 
folgt, dabei auf Abwege geräth, die ihn weiter und weiter hätten 
führen können, jetzt aber unter gewaltigen Erschütterungen genöthigt 
wird, davon zurückzukommen. 
Indem der Prinz am meisten fürchtete, noch zum Tode verur- 
theilt zu werden, ließ ihm der König ankündigen, da er durch den 
Prediger von seiner Reue und Zerknirschung unterrichtet worden, so 
wolle er einen Anfang der Vergebung machen und ihn aus dem 
scharfen Arrest lassen. Friedrich wollte es kaum glauben: er hielt es 
erst für wahr, als man ihm den Brief seines Vaters im Original 
vorzeigte. 
Dieser war jedoch nicht ohne Bedingung. Der Vater wollte 
keine Erleichterung gewähren, wenn sich der Sohn ihm nicht von 
neuem durch einen Eid verpflichte. 
Friedrich mußte schwören, seinem Vater allezeit treu und ge- 
horsam zu sein, nie und nimmermehr zu versuchen, sich der könig- 
lichen und väterlichen Gewalt desselben zu entziehen; sollte er hinfüro 
nicht in allen Stücken dem Willen und Wohlgefallen seines Vaters 
nachleben, so wolle er der königlichen und kurfürstlichen Succession 
auf ewig verlustig sein 1). 
Er schwur dies in Gegenwart der Generale Grumbkom und 
Glasenapp, und einiger höheren Civilbeamten, die zu diesem Zweck 
nach Cüstrin gekommen, sowie derjenigen, die ihm jetzt als besonders 
zuverlässige Leute beigegeben wurden. 
Dies waren die Kammerjunker Natzmer und Rohwedel, und ein 
königlicher Rath, Wolden, dem die Oberaufsicht anvertraut ward ). 
1) Der König an den Prediger 8. Nov. Eine erste Formel hatte der 
König als ungenügend verworfen. Er ließ den Kronprinzen ausdrlicklich er- 
innern, reservationes mentales kenne man hier zu Lande nicht, worauf dieser 
sagt, er wisse sehr wohl, daß man einen Eid in der Meinung schwören müsse, 
in *— ihn der verstanden, der ihn vorschreibt, wünscht ihn aber vorher 
zu sehen. 
2) Wie es in der Instruction heißt: welche S. K. Mi. dero Kronprinzen
	        
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