Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

124 Fünftes Buch. Fünstes Capitel. 
und Polizei mittheilen zu dürfen; aus Büchern, sagte er — wie ganz 
verschieden von seinem Sohn — lerne man nichts, durch unnütze 
Lectüre sei der Prinz eben verdorben worden. Wir finden, daß 
hierauf den Acten jenes alten Markgrafen auch in Berlin nach- 
gefragt wird. 
Man meinte den Köuig zu gewinnen, als man ihm nicht lange 
nach dem Anfang ein Project über Verbesserung der Spinnwerke in 
Preußen, das der Prinz verfaßt habe, einschickte. Der König wollte 
einmal nicht glauben, daß es von ihm herrühre: überhaupt aber 
sollte er sich nicht mit Verbesserungsentwürfen beschäftigen, sondern 
Anschläge von Grund und Boden machen lernen, sich um die Vieh- 
zucht bekümmern, denn er müsse erfahren, wie viel Mühe es einem 
Bauern koste, so viel Groschen zusammenzubringen, als zu einem 
Thaler gehören: um damit einst rathsam umzugehen. Im Mai brachte 
Friedrich wirklich einen Arrendeanschlag nach einer aufgegebenen 
Morgenzahl zu Stande, den man dem König schickte: Hille sagt, weder 
er noch der Präsident könne einen besseren machen; der Prinz habe 
es vortrefflich gelernt. 
Und noch eine andere Sache kam in den ersten Monaten zu 
Cüstrin vor, von zartestem Inhalt, die oben berührte religiöse Mei- 
nungsverschiedenheit. Des Königs Geblüt wallte ihm auf, wenn er 
bedachte, daß sein Sohn an der calvinistischen Lehre von der Prä- 
destination festhalte, nach welcher dann, so verstand er sie, einige nichts 
als Gutes, andere, zur Verdammniß bestimmt, nur Böses vollbringen 
könnten; er fand das unbiblisch und seelenverderblich. Friedrich aber 
war in den Beweisen für diese Ansicht sehr gut bewandert1); ich 
denke, daß die theologischen Aufsätze von seiner Hand, die Katte nach 
seiner Aussage bei ihm gesehen hat, diesen Punct betrafen, der ihm 
der wichtigste war: er wußte, daß auch Luther anfangs eine ver- 
wandte Meinung behauptet habe, und wollte sie nicht fahren lassen. 
Unaufhörlich disputirte seine Umgebung mit ihm darüber. Zuerst 
brachte man ihn zu der Erklärung, er halte die Lehre mehr für 
philosophisch, als für theologisch, ohne Werth für das praktische 
Christenthum; aber der König antwortete, das sei eine Ausflucht: er 
müsse leider befürchten, daß sein Sohn nicht ehrlich zu Werke gehe. 
Dann gab sich Hille, ein Mann von allgemeiner Bildung und nicht 
1) Gegen den Prediger Müller benutzt der Prinz gleichnißartige Argu- 
mente, z. B. von den Rädern in einer Uhr, die aber ineinander greifen 
müssen: die Stelle 2 Petri 2, 1 war ien in dieser Beziehung noch neu. 
Dagegen stützte sich Friedrich auf Römer 9
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.