Aufenthalt Friedrichs in Cüstrin. 125
ohne Geist, in Gesprächen sowie in Briefen Mühe, die schlimmen
Consequenzen jener Ansicht zu entwickeln. Da der Prinz diese nicht
zugeben wollte, so suchte man ihm zu beweisen, daß er dann zu einer
Auffassung genöthigt werde, bei der Alles eigentlich nur ein Wort-
streit sei. Hille behauptet, das habe den Prinzen überwunden. Von
Friedrich selbst wissen wir nur, daß er sagt, er wolle für seine
Meinung nicht zum Märtyrer werden.
Der König war höchlich zufrieden, als er von dieser Annäherung
erfuhr; er ließ sich nun etwas gnädiger vernehmen und schickte Pre-
digten, um den Prinzen vollends des Irrthums zu überzeugen, worin
er geschwebt habe.
Ob dies aber nicht der Weg war, ihm beide Meinungen zu ver-
leiden? Wenn die eine nicht als folgerecht erschien, und die andere
zu Folgerungen führte, die anderen unantastbaren Grundsätzen wider-
sprachen, mußten sie einem forschenden Geiste nicht beide gleichgültig
werden?
Zuweilen empfand Friedrich die Unterwürfigkeit, in der man ihn
hielt, sehr bitter; es fuhr ihm wohl eines Tages durch den Sinn,
sich hier im Gefängniß nochmals in Widerspruch gegen seinen Vater
zu setzen und umzukommen mit Ehren. Man überzeugte ihn aber,
daß auch das Ertragen von Widerwärtigkeiten ihm Ehre mache.
Darin bestärkten ihn ohne Zweifel die Briefe, die zuweilen
anonym, mit verstellter Hand geschrieben, an ihn gelangten, wahr-
scheinlich von seiner älteren Schwester, worin eine feurige Bewun-
derung seiner Haltung ausgesprochen wurde 1): so viele Selbstbeherr-
schung lege er an den Tag, er thue nie etwas, als was an der Zeit,
in allen Dingen sei er vollkommen; er wisse sein großes Herz den
Geboten der Vernunft zu unterwerfen.
An und für sich wäre es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen,
den Willen des Königs vollkommen zu vollstrecken.
Der König konnte anordnen, daß sein Sohn nie einen Fran-
zosen sehen, kein französisches Buch, keine französische Zeitung lesen
sollte — von Zeitungen überhaupt nur die Berliner, Hamburger und
die Intelligenzblätter — aber das erweckte in diesem vielleicht nur
eine um so stärkere Vorliebe für das Französische. Verse in dieser
1) Es heißt von ihm:
Celui ci est parfait en toutes ses actions,
Maitre de ses passions il sait les Commander,
Son grand coeur est soumis aux loix de la raison
II ne fait jamais rien qui ne soit de saison.