Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Absichten für die Vermählung Friedrichs. 133 
ihm wahrscheinlich unerträglich werden mußte? Er fürchtete, sich einer 
wenig erzogenen Gemahlin schämen zu müssen, sich neben ihr Jahr 
aus Jahr ein zu langweilen: von übereinstimmender Gemüthsart und 
schön müsse die Frau sein, mit welcher er leben solle, lieber zu frei 
als zu tugendhaft; am wenigsten könne er eine Fromme ertragen, die 
ein halb Dutzend Heuchler in ihrem Gefolge habe. Kaum war der 
Brief an den König abgegangen, so schrieb er in dem entgegen- 
gesetzten Sinne an Grumbkow. Unglück gegen Unglück, sagt er, Alles 
sei ihm einerlei; für die Verirrung, die er begangen, sei er genug 
gestraft: er wolle nicht die Verpflichtung eingehen, für immer un- 
glücklich zu werden, lieber mache er durch einen Pistolenschuß allen 
Qualen ein Ende; Gott werde ihn nicht verdammen, wenn er sich 
von einem unglücklichen Dasein befreie ). 
Grumbkow, dem der König voller Freude den ersten Brief ge- 
zeigt hatte, erhielt am andern Morgen den zweiten an ihn gerichteten. 
Man muß gestehen, er hatte jetzt guten Grund, dem Prinzen zu 
widersprechen. Er führte demselben zu Gemüthe, daß er zu früh, 
ohne Kenntniß der Sache verzweifle; was wolle er thun, wenn ihn 
Gott dereinst mit wahren Unglücksfällen heimsuche? Besonders aber 
sprach er so nachdrücklich wie möglich aus, daß der Prinz hiebei nicht 
auf ihn zählen dürfe; er werde ihm dienen, so weit es der Dienst 
des Königs zulasse, aber nicht einen Schritt weiter. Wolle der Prinz 
den Don Carlos (des St. Real) spielen, er wolle nicht den Herzog 
von Grammont machen. 
Indem Friedrich diese schroffe Zurechtweisung bekam, traf auch 
die Antwort des Königs ein, der sich glücklich darüber zeigte, daß er 
einen so gehorsamen Sohn habe, und ihn anwies, sein Quartier in 
Cüstrin aufzusagen, Alles zu bezahlen, mit Sack und Pack nach Berlin 
zu kommen. Die Zeit der Ankunft bestimmte er in seiner Weise auf 
das genaueste, Dienstag den 26. Februar Abends 6 Uhr; es war der 
Fastnachtsabend. Sollte Friedrich Bedenken tragen, den Ort seiner 
Gefangenschaft und Verbannung zu verlassen? Er kam zur festge- 
setzten Stunde. 
Am Hofe vermißte man bei seiner Erscheinung etwas von der 
jugendlichen Anmuth, von der raschen Hingebung an Personen und 
Dinge, welche man früher an ihm geliebt hatte 2). Er war größer 
und stärker, besonnener, kälter, überhaupt männlicher geworden. 
1) Je crois que le bon dieu ne me damnerait pas pour cela et syant 
Pitié de moi en échange d'une vie miserable, m’accordera le salut. 
2) Schon im November 1731 hatte er der Hochzeit seiner Schwester bei-
	        
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