Anwachs und Organisation des Kriegsheeres. 147
freien Reiselaufen zu der zwangsvollen Subordination dieser auf
immer eingerichteten, wie ebenso viele Körperschaften zusammen-
haltenden Regimenter!
Friedrich Wilhelm hegte nicht den mindesten Zweifel, daß nach
Gottes Ordnung alle Unterthanen schuldig seien, ihm in einem Heere
zu dienen, das nur zu ihrem Schutze, „Landen und Leuten“ lediglich
zum Besten angeordnet sei 1), doch wollte er von einer Nationalmiliz
nichts hören 2); er verbot den Namen Miliz. Nur eine stehende
Armee, allezeit bereit, das Gewicht des preußischen Schwertes in die
Wagschale der europäischen Dinge zu werfen, schien ihm der Rede
werth. Dadurch allein meinte er eine selbständige europäische Macht
zu bilden.
An und für sich konnte ein Verein deutscher Landschaften, die
sämmtlich kaum drittehalb Millionen Einwohner zählten, und nicht
einmal in sich zusammenhingen, dem französischen Reiche gegenüber,
das von den Pyrenäen bis an den Oberrhein, von dem Mittelmeer
bis an den Ocean reichte, — benachbart dem unermeßlichen Rußland,
dem unerschöpflichen Oesterreich, zur Seite Englands, dem die See ge-
horchte, nur wenig bedeuten. Was dem preußischen Staate einen
gewissen Rang unter ihnen, Ansehen in der Welt verschaffte, war
allein das Kriegsheer. Man nahm damals an, daß Frankreich eine
Landmacht von 160,000 Mann, Nußland von 130,000 Mann regel-
mäßiger Truppen erhalte; hier fehlte aber viel an Erfüllung der
Listen, dort ward ein großer Theil der Mannschaften durch den Dienst
in den Garnisonen der zahlreichen Festungen beschäftigt; das öster-
reichische Heer rechnete man auf 80— 100,000 Mann, jedoch von
zweifelhafter Streitfähigkeit und zerstreut in allen Provinzen. Was
Friedrich Wilhelm I für die Stellung Preußens in diesem Wetteifer
der Streitkraft gethan hat, ermißt man sogleich, wenn man bemerkt,
daß er die Armee von 38,000 Mann, in welcher Zahl sie etwa mit
Sardinien, Sachsen-Polen in gleichem Range stand, bis auf mehr
als 80,000 Mann vermehrte, so daß er Oesterreich nahe kam. Wir
haben die genaue Berechnung eines Kriegsbeamten aus den ersten
Zeiten der folgenden Regierung, nach welcher Friedrich Wilhelm bei
1) Edict bei Mylinus III, Nr. XV.
2) Unter dem 9. März 1713 ist die Landmiliz aufgehoben worden. Schon
unter Friedrich I war es zu Conflicten der regelmäßigen Werbung mit dem
Enrolliren der Landmiliz gekommen: so bevölkert war dos Land nicht, daß
beide hätten nebeneinander bestehen können.
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