Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Auflösung des Lehnsnerus. 153 
Um zunächst den Zustand des gemeinen Mannes nur zu be- 
rühren, welch eine ganz andere Bedeutung bekam die ländliche Be- 
völkerung, die bisher allein dazu geboren zu sein schien, den Acker 
zu bauen und untergeordnete Dienste zu leisten, durch ihre Theilnahme 
an der kriegerischen Haltung des Staates und ihre Unentbehrlichkeit 
dafür. Friedrich Wilhelm ließ die Cataster aus den Zeiten des größten 
materiellen Wohlstandes im Lande, vor den Verwüstungen des dreißig- 
jährigen Krieges, vom Jahre 1624, nachsehen, die Zahl der Hufen 
und Bauerstellen verzeichnen, und forderte ihre ungesäumte Besetzung, 
wenn nicht mit Vollbauern, doch mit Büdnern, Haus--, Dienst-, und 
andern Gewehrleuten. Der Mensch bekam einen höhern Werth, sobald 
er durch sein bloßes Dasein in unmittelbare Beziehung zur höchsten 
Gewalt trat. Wie weit entfernt von persönlicher Unterthänigkeit ist 
der militärische Gehorsam, dessen Vollziehung persönliche Tüchtig- 
keit erfordert, und der im Bewußtsein der allgemeinen Regel ge- 
gründet ist. 
Etwas näher müssen wir das Verhältniß des Adels betrachten, 
das sich in ganz Europa durch nichts so sehr, wie durch die Ein- 
führung der stehenden Heere umgewandelt hat. 
Der Unterschied ist, daß die ursprüngliche Vertheilung von 
Grund und Boden auf den Waffendienst berechnet war, — wie 
überall, so noch besonders hier in der alten Markgrafschaft —; nun- 
mehr aber der persönliche Dienst sich nicht mehr an den Grundbesitz 
oder das Lehen knüpfte, der allmählig aufgerichtete Staatshaushalt 
vielmehr, zu dem das ganze Land beitrug, die Mittel herbeischaffte, 
das allezeit schlagfertige Heer zu nähren und zu besolden. 
Schon Friedrich I klagt, daß seine Lehnsherrlichkeit, so glänzend 
sie sich ausnehme, ihm doch nicht den mindesten Vortheil bringe: die 
Lehngüter seien von allen andern Lasten frei; die einzige, die ihnen 
obliege, die Stellung der Lehnpferde, werde durch die Veränderung 
des Kriegswesens unnütz gemacht. Man hat die Lehnspferde noch 
1669, 1678, sogar 1701 zusammengefordert, allein mit geringem 
Erfolg; die Verwandlung des Dienstes in Geld zeigte sich schwierig 
und unergiebig; immer mit umfassenden Entwürfen beschäftigt, dachte 
schon Friedrich I den Lehnsnexus gegen eine Geldzahlung aufzulösen. 
Sein Plan ist von den geheimen Räthen erwogen, aber nicht aus- 
führbar gefunden worden 1). Hauptsächlich rührte dies wohl daher, 
1) In den Acten finden sich: 1) Gutachten der Convertirung der in den 
königlichen Landen befindlichen Lehen in Erbgüter betrefsend; 2) Schreiben
	        
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