Friedrich Wilhelm I. und die Politik von 1715—22. 11
gnügen, seine neugegründete Marine von den Seemächten anerkannt
zu sehen: er hat wohl einmal als Oberbefehlshaber fungirt. Allein
die Dänen waren nicht so gut vorbereitet, wie man erwartete; und
zeigten ihm überdies die Hingebung nicht, auf die er Anspruch machte,
da es doch ihre Sache sei, die er führen wolle. Wir wollen nicht
darüber absprechen, wem die Schuld beizumessen ist, daß es zu dem
Unternehmen nicht kam. Der König von Schweden hatte indessen ein
Heer von 30,000 Mann gesammelt und Veranstaltungen getroffen, in
Folge deren er dem Angriff, der ihm drohte, ohne Besorgniß entgegensah.
Der Czar hatte gewiß nicht Unrecht, wenn er behauptete, daß das
Unternehmen, das so lange verzögert worden, nunmehr auf die größten.
Schwierigkeiten stoßen werde: der Krieg werde sich den Winter hin-
ziehen; in den Festungen werde man einen starken Widerstand finden;
wie solle sich die Armee da nähren und kleiden; man werde in
die schwersten Verlegenheiten gerathen. Unleugbar: vor allem ist
es das Aufgeben dieser Unternehmung gewesen, was die nordische
Allianz zersprengt hat. Schweden war diesseit der Ostsee besiegt wor-
den; in Scandinavien selbst schien es unangreifbar. Wie sechs Jahre
früher Ludwig XIV gegen die Angriffe der großen Allianz, die ihn
vernichten sollte, durch die Veranstaltungen, die er traf, nicht allein,
sondern auch durch die Entzweiung seiner Gegner gesichert worden war,
so kam jetzt dem König von Schweden, seinen Waffen zur Seite, die
Entzweiung seiner Widersacher zu Statten. Und Niemand könnte in
Abrede stellen, daß auch diese ihren guten Grund hatte. Denn wenn
sich der Czar in Dänemark festsetzte, wenn er, was man zu fürchten
anfing, sich des Sundes bemächtigte; so würden alle die Bedrängnisse
und Gefahren des europäischen Handels, die unter Carl Gustav die
Seemächte aufgeregt hatten, sich erneuert haben. Noch war das wohl
nicht unmittelbar zu fürchten. Das Landheer wie die Flotte des Czaren
wendeten sich nach den östlichen baltischen Küsten; aber Besorgnisse,
die einmal in den Gesichtskreis getreten sind, wirken immer fort, auch
wenn die Umstände, die sie veranlaßten, sich ändern.
In dem Moment, wo der nordische Bund sich auflöste, hat nun
Peter der Große dem König Friedrich Wilhelm I1 einen Besuch in
Havelberg gemacht und daselbst eine Aufnahme gefunden, die seine
Erwartung übertraf. Indem alle Bundesverhältnisse schwankten, und
unabsehbare Streitigkeiten in Aussicht traten, bielten es die beiden
Fürsten für rathsam, die über Schweden gemachten Eroberungen
sich gegenseitig zu gewährleisten. Der schon im Jahre 1714 ge-
schlossene Tractat wurde in Havelberg erneuert und verstärkt: schon