Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Friedrich Wilhelm I. und die Politik von 1715—22. 11 
gnügen, seine neugegründete Marine von den Seemächten anerkannt 
zu sehen: er hat wohl einmal als Oberbefehlshaber fungirt. Allein 
die Dänen waren nicht so gut vorbereitet, wie man erwartete; und 
zeigten ihm überdies die Hingebung nicht, auf die er Anspruch machte, 
da es doch ihre Sache sei, die er führen wolle. Wir wollen nicht 
darüber absprechen, wem die Schuld beizumessen ist, daß es zu dem 
Unternehmen nicht kam. Der König von Schweden hatte indessen ein 
Heer von 30,000 Mann gesammelt und Veranstaltungen getroffen, in 
Folge deren er dem Angriff, der ihm drohte, ohne Besorgniß entgegensah. 
Der Czar hatte gewiß nicht Unrecht, wenn er behauptete, daß das 
Unternehmen, das so lange verzögert worden, nunmehr auf die größten. 
Schwierigkeiten stoßen werde: der Krieg werde sich den Winter hin- 
ziehen; in den Festungen werde man einen starken Widerstand finden; 
wie solle sich die Armee da nähren und kleiden; man werde in 
die schwersten Verlegenheiten gerathen. Unleugbar: vor allem ist 
es das Aufgeben dieser Unternehmung gewesen, was die nordische 
Allianz zersprengt hat. Schweden war diesseit der Ostsee besiegt wor- 
den; in Scandinavien selbst schien es unangreifbar. Wie sechs Jahre 
früher Ludwig XIV gegen die Angriffe der großen Allianz, die ihn 
vernichten sollte, durch die Veranstaltungen, die er traf, nicht allein, 
sondern auch durch die Entzweiung seiner Gegner gesichert worden war, 
so kam jetzt dem König von Schweden, seinen Waffen zur Seite, die 
Entzweiung seiner Widersacher zu Statten. Und Niemand könnte in 
Abrede stellen, daß auch diese ihren guten Grund hatte. Denn wenn 
sich der Czar in Dänemark festsetzte, wenn er, was man zu fürchten 
anfing, sich des Sundes bemächtigte; so würden alle die Bedrängnisse 
und Gefahren des europäischen Handels, die unter Carl Gustav die 
Seemächte aufgeregt hatten, sich erneuert haben. Noch war das wohl 
nicht unmittelbar zu fürchten. Das Landheer wie die Flotte des Czaren 
wendeten sich nach den östlichen baltischen Küsten; aber Besorgnisse, 
die einmal in den Gesichtskreis getreten sind, wirken immer fort, auch 
wenn die Umstände, die sie veranlaßten, sich ändern. 
In dem Moment, wo der nordische Bund sich auflöste, hat nun 
Peter der Große dem König Friedrich Wilhelm I1 einen Besuch in 
Havelberg gemacht und daselbst eine Aufnahme gefunden, die seine 
Erwartung übertraf. Indem alle Bundesverhältnisse schwankten, und 
unabsehbare Streitigkeiten in Aussicht traten, bielten es die beiden 
Fürsten für rathsam, die über Schweden gemachten Eroberungen 
sich gegenseitig zu gewährleisten. Der schon im Jahre 1714 ge- 
schlossene Tractat wurde in Havelberg erneuert und verstärkt: schon
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.