Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

12 Fünftes Buch. Erstes Capitel. 
damals war dem Könige von Preußen Stettin von dem Czaren, diesem 
dagegen von Friedrich Wilhelm Ingermannland und Carelien, nebst 
Wiborg und Narwa, sowie Esthland garantirt worden. Minder ent- 
schieden war von Liefland die Rede. Zetzt aber faßte man die 
Möglichkeit ins Auge, daß der einc oder der andere der nordischen 
Verbündeten mit Schweden ein besonderes Einverständniß treffe. Für 
den Fall, daß dies geschehe und Schweden fremde Unterstützung finden 
wurde, versprachen die beiden Mächte einander- gegenseitige Unter- 
stützung; dann sollte auch den Russen Liefland garantirt sein 1). Ueber- 
dies aber gab es keine andere Macht, die im Stande gewesen wäre, 
Schweden zum Frieden zu nöthigen, als eben Rußland. Dem König 
tam es zu Statten, mit dem mächtigsten, klügsten und thatkräftigsten 
Fürsten des Nordens verbunden zu sein. Das allgemeine Verhältniß 
wirkte auch auf die mecklenburgischen Irrungen zurück, die damals 
alle Welt beschäftigten. 
Friedrich Wilhelm war in denselben bei weitem weniger entschieden 
gegen Rußland, als Dänemark und Hannover. Dem Czaren kam es 
darauf an, Wismar an den Herzog Carl Leopold, der sich eben mit seiner 
Nichte verheirathet hatte, zurückzubringen; aber seine Truppen waren 
bei der Capitulation der Schweden von den Dänen und Hannoveranern 
zurückgewiesen worden. Unmöglich konnte Friedrich Wilhelm gestatten, 
daß die Russen sich in Mecklenburg festsetzten; aber ebenso wenig, daß 
der wichtige Platz in die Hände von Dänemark und Hannover gerathe. 
Die Differenz war eine sehr umfassende, da die Russen die Sache des 
Herzogs in den Streitigkeiten mit seinem Adel verfochten, Hannover 
aber, in dessen Händen die Direction des niedersächsischen Kreises lag, 
von Kaiser und Reich autorisirt, sich des bedrängten Adels annahm. 
Indem sich dergestalt im Norden tiefgreisende Mißhelligkeiten an- 
bahnten, trat ferne davon eine Entzweiung ein, welche den ganzen 
europäischen Süden und Westen in Gährung brachte. Sie ent- 
sprang aus dem durch den Frieden von Utrecht nicht vollkommen 
zur Entscheidung gebrachten Machtverhältniß zwischen Oesterreich und 
Spanien. 
Wenn man sich erinnert, welche Bedeutung für die spanische 
Monarchie zwei Jahrhunderte lang ihr Verhältniß zu Italien gehabt 
hatte: so kann man nicht anders erwarten, als daß der Fürst, dessen 
1) Vertrag vom 26. Novbr. 1716: „Auf den Fall, daß Jemand von den 
in der nordischen Ligue begriffenen Puissancen aus derselben austreten und 
sich mit dem gemeinschaftlichen Feinde setzen würde.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.