Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

178 Sechstes Buch. Zweites Capitel. 
liche Waffenmacht abgesehen war; der vornehmste Erfolg der Ver— 
waltung Friedrich Wilhelms lag darin, daß eine Streitmacht, un- 
vergleichlich größer als sie bisher jemals aufgestellt worden, allein auf 
die eigenen Erträge des Landes gegründet ward. Was ist der Sinn 
einer Macht, als daß sie sich frei, nach ihrem eigenen Triebe und 
Entschlusse bewegen kann? Eben dies war der Zweck und auch der 
Erfolg des ganzen Systems. 
Alles wirkte zusammen, griff ineinander; noch waren in der 
romanisch-germanischen Welt die Kräfte eines Landes wohl nie so 
zusammengenommen worden. Kaiser Friedrich II, an den man denken 
könnte, verfolgte doch bei seiner Verwaltung von Neapel ein diesem 
Lande fremdes Ziel. Unter Ludwig XIV stellte sich nicht selten Louvois 
den Absichten Colberts entgegen. In Preußen durchdrangen einander 
Mittel und Zweck und in allen Zweigen herrschte nur ein das Ganze 
umfassender Verstand. 
Will man von der verwaltenden Thätigkeit Friedrich Wilhelms 
einen Begriff bekommen, so muß man die Acten ansehen, worin er 
den Eingaben seiner Behörden, oder den Vorstellungen von Privat- 
leuten seine Entscheidungen beigefügt hat. Zuweilen, wiewohl selten, 
sind sie ziemlich ausführlich: sie sind auf ungewöhnlich starkes, blau- 
graues doch für die Feder nicht unbequemes Papier hingeworfen, auf 
ganzen Bogen, in ungeraden Linien, mit großen kaum zu entziffern- 
den Schriftzügen, in wildgewachsener Orthographie, regelloser Satz- 
bildung; aber in der Sache zum Ziel treffend, gesund im Kerne: auch 
die flüchtigsten Worte enthalten seinen Gedanken und Sinn. Mit 
Recht weist er einmal den Kronprinzen an in seinen Marginalien 
die Landesverwaltung zu studiren. An den einzelnen Dingen ent- 
wickelte sich die Behandlung derselben, die mehr auf lebendigem Be- 
griff als auf einem vorher angenommenen Grundsatz beruhte. 
Manchmal machen seine Anordnungen den Eindruck des klein- 
lichen Zwanges: wie wenn er bei der Errichtung der Feueranstalten 
den Obrigkeiten befiehlt, die gefährlichen Feuerstellen abzuschaffen, wo 
es an Steinen fehlt, sie mit einer leimenen Wand in nöthiger Höhe 
zu umziehen und die von oben herabhängenden Hürden abnehmen zu 
lassen; sollte ein Beamter dies versäumen, so soll er gehalten sein, 
den entstehenden Schaden zu ersetzen; wer durch Verwahrlosung eine 
Feuersbrunst veranlaßt, der soll mit Staupenschlag angesehen werden. 
In diesem Style wird ferner das Abreißen der Stroh= und Schindel- 
dächer in den Städten, das Anschaffen von Feuerhaken und Spritzen, 
das Aufstellen der Wachtmannschaften eingeschärft; überall ist die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.