180 Sechstes Buch. Zweites Capitel.
wurf eines neuen Landrechts auszuarbeiten, und sehr bemerkenswerth
sind die Gesichtspunkte, die er ihnen angab 1). Danach sollte das
Nömische Recht aufrecht erhalten, aber von allem, was seinen Ur-
sprung in der besondern Verfassung des alten Römischen Staates
habe entkleidet, mit der gesunden Vernunft, der natürlichen Billigkeit
und den heutigen Zuständen in Uebereinstimmung gebracht werden;
er wünschte namentlich den weitläufigen Processen abzuhelfen, die
gesammten Rechtssatzungen dem gemeinen Manne verständlich gemacht
zu sehen. Für das Criminalrecht hielt er den einfachen Grundsatz
fest: wer Blut vergieße, dessen Blut müsse wieder vergossen werden,
damit kein Blut auf dem Lande bleibe. Er gehörte zu den Männern,
deren Gesinnung sich durch das alte Testament gebildet hat. Die
theologische Gelehrsamkeit hielt er sehr hoch; er drang auf strenge
Prüfungen, wodurch, wie schon sein Vater angeordnet hatte, der Ein-
fluß der Kirchenpatrone bei der Besetzung der Vacanzen eingeschränkt
und geregelt wurde. Niemals sollte ein Sohn dem Vater in der-
selben Pfarrstelle folgen dürfen. Zugleich aber nahm er Bedacht, den
Geistlichen keinen weltlichen Einfluß zuzugestehen, wohin ihr Trachten
wohl auch unter den Protestanten gerichtet sei. Er hielt mit Strenge
darüber, daß auf den Kanzeln von den streitigen Lehrsätzen, nament-
lich von der Gnadenwahl nicht die Rede sein dürfe; und wies die
Fiscale an, darauf Acht zu haben. Die Prediger aller Parteien sollten
die ihnen anvertrauten Seelen nur in der „Furcht des Herrn und
dem wahren thätigen Christenthum“ unterweisen. Er machte sich eine
Pflicht daraus, in vollkommener Toleranz voranzugehen. Als die
Dreifaltigkeitskirche, die er für den neuen Stadttheil von Berlin ge-
baut, am vierzehnten Sonntag nach Trinitatis 1739 eröffnet wurde,
brachte er selbst die silbernen Altargefäße mit, die der einen evan-
gelischen Confession so gut wie der andern zum Gebrauch dienen
sollten; er hörte die beiden Einweihungsreden, am Morgen die refor-
mirte, am Nachmittag kam er wieder, um auch der lutherischen Pre-
digt beizuwohnen 2). Von den Jesuiten wollte er Nichts hören; aber
für den Gottesdienst der katholischen Einwohner von Berlin hat
er ein besonderes Haus eingeräumt. Für die Katholiken in seinen
Regimentern billigte er nicht allein, sondern beförderte die Wirksam-
1) Ordre an die Juristenfacultät zu Halle, 18. Juni 1714. Mitgetheilt
und erläutert von Laspeyres in Reyschers und Wilda's Zeitschrift für deutsches
Recht VI, 88.
2) Kurzgefaßte Geschichte der Dreifaltigkeitskirche 1801, S. 8, 9.