Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

182 Sechstes Buch. Zweites Capitel. 
holt werden; der Taufe und dem Abendmahl sollte eine Unterweisung 
der daran Theilnehmenden, auch der älteren Leute in dieser Form 
vorangehen. Die christlichen Lehren sollten von Allen und Jeden be- 
griffen, ein Gemeingut des Volkes werden. 
In diesem Sinne suchte er nun auch den Schulunterricht zu be- 
fördern. Was nur zum Schmucke, oder zur gelehrten Uebung des 
Geistes dienen sollte, fand bei Friedrich Wilhelm keine Stätte, so 
wenig als einst die Rhetorik im Staate der Spartiaten. Er sorgte 
für das Bedürfniß des gemeinen Mannes. In der Provinz Preußen 
sind unter ihm gegen tausend neue Schulen gestiftet worden; der 
Schulbesuch ward zur Pflicht gemacht. Eine große Wirkung mußte 
es haben, daß er den Confirmationsunterricht einführte, und Niemand 
dazu zu lassen gebot, der nicht lesen könne. Die Anhänger Speners, 
die das thätige Christenthum predigten, wollten auch von anderm un- 
fruchtbaren Unterricht nichts hören; sie kehrten zuerst die reale Seite 
desselben mit Entschiedenheit hervor. In dem Militärwaisenhaus, wo 
die Zungen „vieler hundert Kinder“ für den König beteten, ward auch 
darin ein Anfang gemacht, der eine allgemeine Nachfolge fand. Wenn 
Bürger und Bauern in den brandenburgischen Landen mehr und 
früher als anderswo zur Cultur des menschlichen Geschlechtes heran- 
gezogen worden sind, so hat Friedrich Wilhelm 1 dazu den Grund 
gelegt. 
Es bedarf der Erinnerung nicht, daß wir uns hier nicht in 
einem Gemeinwesen befinden, wo freie Menschenkräfte sich durch 
eigenen Trieb naturgemäß entfalten. Alles ging von der höchsten 
.Gewalt aus, die den Zweck begriffen und die Mittel mit einseitigem 
Gebote vorschrieb. 
Jedermann weiß es, bei aller großartigen Richtung hatte der 
gesammte Zustand noch den Beigeschmack des Gewaltsamen und 
Drückenden. 
An den unbedingten Werth, den man dem Soldatenstande beimaß, 
knüpfte sich, so sehr man es zu vermeiden suchte, ein beschwerliches 
Uebergreifen desselben in andere Sphären des Lebens. In den Städten 
übte der Steuerrath eine Autorität aus, vor der die Magistrate in 
Schatten traten; sie wurden oft nicht mehr gewählt, sondern gesetzt. 
Die Landräthe, die zugleich Deputirte der Landschaft waren, wurden 
auf eine dieser unbequeme Weise von der Kammer abhängig. Nicht 
ohne Grund klagte der Adel überhaupt, daß er die Bescheidung der 
Kriegs= und Domänenkammern auch da hinnehmen müsse, wo diese 
ein dem seinen zuwiderlaufendes Interesse hätten. In der Mitte des
	        
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