Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Polnische Throncandidatur 1732, 1733. 185 
Schon in dem ersten Drittheil des achtzehnten, eben unter 
Friedrich Wilhelm J ward sie angebahnt; wie viel Umwälzungen aber 
haben eintreten müssen, ehe sie im Conflicte ganz anderer Weltkräfte, 
als der damaligen, nachhaltig zu Stande kam! Es ist sehr der Mühe 
werth, zu betrachten, worauf sie sich zuerst gründete, und wodurch sie 
in jenen Zeiten wieder unterbrochen wurde. Denn für alle Verhält- 
nisse bindend, von unbedingter Geltung konnte sie nicht sein. 
Die Verbindung zwischen Oesterreich und Preußen beruhte, wie 
wir sahen, zugleich auf ihren besonderen Anliegen und den allgemeinen 
deutschen Interessen. Jene waren: für Oesterreich die Erhaltung der 
Monarchie in ihrem vollen Umfang, für Preußen eine Erwerbung, 
Durchführung jener uralten Ansprüche auf die niederrheinische Erb- 
schaft. Diese: Erhaltung eines guten Verständnisses zwischen beiden 
Religionstheiken in Deutschland; Ausschließung jedes fremden Ein- 
flusses, sowohl des französischen als des englischen, die bisher vor- 
gewaltet hatten. 
So gründete sich auch die Verbindung zwischen Oesterreich und 
Rußland auf die wichtigsten allgemeinen Motive. 
Sie lagen vor allem Andern in den gleichartigen Verhältnissen, 
in denen sie beide zu dem osmanischen Reiche standen. Nicht als ob 
aus denselben nicht einmal in Zukunft Irrungen hätten hervorgehen 
können, wenn etwa die Osmanen dahin gebracht wurden, dem einen 
größern Einfluß als dem andern zu gestatten: damals aber ließ sich 
daran nicht denken, beide durften von dem Divan, besonders unter 
der fortdauernden Einwirkung von Frankreich, nichts als noch immer 
sehr gefährliche Feindseligkeiten erwarten. Der Sieger von Zenta er- 
klärt, man habe nicht mehr die Kriegskunst der Osmanen zu fürchten, 
aber wohl ihre Ueberzahl, und brauche gegen sie einen beständigen 
Alliirten. Auch für Rußland wäre es eine empfindliche Entbehrung 
gewesen, zum Widerstand gegen diesen Feind oder auch zum Angriff 
auf ihn, nicht einen Verbündeten wie Oesterreich an seiner Seite zu 
sehen. Es wußte, daß es eines mächtigen Oesterreichs bedürfe. 
Daher kam es, daß Rußland sofort bereit war, die Erbfolge- 
ordnung Carls VI anzuerkennen; im August 1726 schon haben die 
beiden Mächte einen Vertrag geschlossen, einen der historisch wichtigsten. 
im achtzehnten Jahrhundert, durch welchen sie einander ihre sämmt- 
lichen Besitzungen in Europa gewährleisteten, und sich sogar zu ge- 
meinschaftlichen Unternehmungen vereinigen zu wollen erklärten. 
Der König von Preußen wurde eingeladen diesem Vertrage bei- 
zutreten: aber seine Minister machten ihn aufmerksam, daß er dadurch
	        
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