194 Sechstes Buch. Drittes Capitel.
curländischen Ritterschaft vereinbar sei, anzuwenden, um ihre Wahl
auf den zweiten preußischen Prinzen, August Wilhelm, oder im Fall,
daß dieser abginge, auf einen seiner jüngeren Brüder zu lenken.
Diese Wahl sollen alsdann Oesterreich, Preußen und Rußland ge-
währleisten und aufrecht erhalten ).
Es ist wahr, daß Seckendorf den Tractat, über den er mit
großem Eifer unterhandelte, dann nicht förmlich unterzeichnet, daß
auch Löwenwolde sich die Ratification seiner Kaiserin ausdrücklich vor-
behalten hat; hätte man aber wohl an dieser zweifeln dürfen, da der
Antrag von beiden Seiten auf diese Bahn gebracht war?
Die Mächte erschienen überhaupt enger als jemals vereinigt:
General Seckendorf spielte in Berlin eine ähnliche Rolle, wie einst
Königsegg in Madrid; von fremden Höfen eingehende Berichte wur-
den ihm mitgetheilt; mit seiner Hand hat er die Instruction ge-
schrieben, welche Grumbkow für seine Zusammenkunft mit August II
erhielt. So ward das Fest der preußischen Krone, 18. Januar, in
Petersburg von Kaiserin Anna feierlich begangen. Man betrachtete
es als den Schlußstein dieser Verbindung, daß der Prinz Anton
Ulrich von Braunschweig-Bevern, Neffe der Kaiserin, der in Kurzem
der Schwager des Kronprinzen von Preußen werden sollte, zum Ge-
mahl der damals zur Thronfolgerin in Rußland bestimmten Prin-
zessin von Mecklenburg ausersehen wurde. Eben gegen die Absichten
Augusts II war diese Verbindung der Mächte gerichtet; es läßt sich
nicht denken, daß er jemals fähig gewesen wäre, sie zu sprengen.
In diesem Augenblicke aber erlag dieser Fürst schon den Krank-
heiten, die er Andern und vielleicht sich selber nicht gestehen wollte;
den Reichstag, den er berufen, konnte er schon nicht mehr in Person
eröffnen: er starb in der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar
zu Warschau 2).
1) Arneth, Prinz Eugen III, S. 360 und Bartensteins Aufzeichnungen
im Archiv f. österr. Gesch. Bd. 48, 1, S. 153. Man hat behauptet, daß in
dem Tractat auch Berg von Rußland garantirt worden sei. Das wider-
spricht aber den Begriffen von der Unabhängigleit des Reiches in seinen in-
neren Angelegenheiten; es ist davon mit keinem Worte die Rede. Nach den
Aufzeichnungen von Bartenstein sollte scheinen, als habe Seckendorf ohne In-
struction gehandelt, wörtlich aber ist das nicht zu nehmen. Aus den Mit-
theilungen bei Arneth ergiebt sich doch, dahß man in Wien durch die Con-
cession in Curland die Nachgiebigkeit des Königs Fricdrich Wilhelm in Bezug
auf seine Ansprüche auf Jülich auszuwirken meinte.
2) Es gehört fast mit zur Schilderung seiner Verhältnisse zum preußischen
Hofe, was Grumbkow in einem seiner Briefe von sich erzählt. Grumbkow,