200 Sechstes Buch. Drittes Capitel.
diesen Schandfleck nicht haben, noch wider sein Gewissen handeln.
Ohne alle Zögerung, 12. Juni 1733, ward das verlobte Paar —
von Mosheim, dessen Traurede gedruckt ist — eingesegnet, und we-
nigstens das fand der Prinz daran nicht mehr zu tadeln, daß seine
Gemahlin keine englische Prinzessin war; diesen Wunsch hatte er seit
der Verheirathung seiner Schwester vollkommen aufgegeben.
Die dynastische Verflechtung hing mit der politischen genau zu-
sammen. Der kaiserliche Hof war wieder versöhnt mit Georg II,
was ihm in dem westlichen Europa, wo sich die bourbonischen Ten-
denzen wieder regten, eine andere Stellung gab, in welcher er
Preußens nicht unbedingt bedurfte; sein Bemühen war dann, auch
Preußen in dieses Verhältniß hineinzuziehen. Für den Norden war
er mit Rußland verbündet und mit Sachsen einverstanden; er machte
den Anspruch, daß auch Preußen dieser Abwandlung folge. Haupt-
sächlich darauf bezog sich das Mißverständniß, das damals zwischen
den beiden vorwaltenden österreichischen Staatsmännern obwaltete.
Prinz Eugen trug den Ansprüchen von Preußen Rechnung:; Stahren-=
berg wandte sich davon ab. Und diese Richtung behielt von nun an
in Wien die Oberhand. Aber Friedrich Wilhelm war nicht der Mei-
nung, einer ausschließend russisch-österreichischen Direction zu folgen.
Wenn er sich im Bunde mit Oesterreich von England losgerissen, so“-
nahm er jetzt Oesterreich und Rußland gegenüber eine unabhängige
Haltung an. Er war noch entfernt davon, sich an Frankreich anzu-
schließen; aber er nahm doch wieder die durch seine geographische Lage
gebotene Rücksicht auf diese Macht.
Die Unterhandlungen nahmen sogleich einen ganz andern Ton an.
Noch im Juni forderte Seckendorf den König auf, einer Er-
klärung beizutreten, durch welche die Mächte die Ausschließung Stanis=
laus Leszczynski's vom polnischen Throne aussprechen wollten;:; —
allein er fand damit nicht mehr die alte Bereitwilligkeit.
Die Minister erinnerten den König, daß der löwenwoldische
Vertrag von Oesterreich und Rußland nicht ratificirt worden sei,
eben deshalb Preußen nicht binden könne. Die Bemerkung, die gegen
England gegolten, wendeten sie nun gegen Rußland und Oesterreich
an: man würde eine subalterne Macht sein, wenn man so schlechthin
dem nachtreten wollte, was von den beiden Nachbarn beschlossen
worden 1). Spreche Preußen, sagen sie dann weiter, die Exclusive
des Stanislaus aus, so sei es auch verpflichtet, dieselbe aufrecht zu
1) Vorstellung der Minister vom 23. Juni.