Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Polnisch-französische Verwickelung 1733—35. 209 
Mächte vereinigten, sich der Vermählung des Herzogs von Lothringen 
mit der ältesten Tochter des römischen Kaisers, als welche die Sicher- 
heit des bourbonischen Hauses gefährde, mit bewaffneter Hand zu 
widersetzen 1). Alle Pläne wachten auf, welche die Bourbons jemals 
gehegt, in deren Erreichung sie nur durch die Dazwischenkunft der 
Seemächte und der protestantischen Deutschen gestört worden waren. 
Fleury soll gesagt haben, er denke auf eine Karte gegen Oesterreich 
ein paar Königreiche zu gewinnen. 
Diese Karte im Hazardspiel der Politik und des Krieges war 
die polnische Succession. Deren Durchführung erschien ihm wünschens- 
werth, aber noch viel höher schlug er die Gelegenheit an, den alten 
Kampf gegen Oesterreich unter günstigen Umständen zu erneuern. 
Man möchte zuweilen verzweifeln an dem Nutzen menschlicher 
Voraussicht, bei der Art, wie Staatsangelegenheiten geführt werden. 
In Wien ist der Gang dieser Dinge von dem ersten Augenblick an, 
wo Maria Leszczynska aus einem Kloster von Insbruck verschwand, 
um mit dem König von Frankreich vermählt zu werden, vorhergesehen, 
und jeder weitere Schritt in dieser Richtung beobachtet, dahin aus- 
gelegt worden; die Ausführung dieser Absichten aber hat man darum 
nicht gehindert, sondern eben das gethan, was dem Gegner dazu 
erwünscht war. 
Oesterreich war so wenig gegen Frankreich gerüstet, wie Polen 
gegen Rußland; dennoch trug weder das eine noch das andere 
Bedenken, den Fehdehandschuh aufzunehmen, der ihm hingeworfen 
wurde: Polen wählte Stanislaus, Oesterreich schloß ihn aus. 
Hätte man aber nicht glauben sollen, daß Oesterreich, als es 
sich auf diese Weise mit einem Kriege an den westlichen Grenzen be- 
droht sah, nun auch wenigstens darauf denken würde, den Freund, 
dessen Bundesgenossenschaft ihm bereits von unbeschreiblichem Nutzen 
gewesen, gegen den es Verpflichtungen übernommen, die von diesen 
Dingen unabhängig waren, den König von Preußen wieder an sich 
zu ziehen, um mit ihm im Bunde zugleich die deutsche und die eigene 
Sache zu vertheidigen? 
Es schlug ein Verfahren ein, fast noch unerklärlicher als 
das erste. 
Der König von Preußen fühlte sich in den polnischen An- 
1) Am 7. Nov. 1733. Bei Cantillo 277, wo es als primer pacto de 
familin entre las coronas de Espaha yFrancin bezeichnet wird. 
v. Nanke'#e Werke XXVII. NXVIl. 14
	        
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