218 Sechstes Buch. Viertes Capitel.
gemacht hatte, niemals neutral zu bleiben: das ist: keine Entschei-
dung der europäischen Dinge zuzulassen, ohne das Gewicht seiner
Rräfte hineinzuwerfen. König Friedrich Wilhelm war jetzt in den
Fall gekommen, davon ausgeschlossen zu sein: aber dadurch geschah
ihm dann, daß auf beiden Seiten seine Sympathien mehr dem ge-
schlagenen Theile galten. Am Rheine war er gegen die Fortschritte
der Franzosen, und er setzte sich ihnen als Reichsstand entgegen; in
Polen war er gegen die Befestigung des Kurfürsten von Sachsen und
die Fortschritte der Russen an den Mündungen der Weichsel.
Wie gern hätte er die Belagerung von Danzig, zu der die
Russen sich anschickten, verhindert! Er ließ der Kaiserin Anna vor-
stellen, welch ein unersetzlicher Schade seinen preußischen Unterthanen
dadurch erwachsen werde; sie antwortete ihm, das Betragen der Dan-
ziger gegen sie sei so unehrerbietig gewesen, daß sie dieselben strafen
müsse. Im Frühjahr 1734 zog General Münnich zur Belagerung
heran. Friedrich Wilhelm mußte zusehen, daß eine Stadt, der er
den lebhaftesten Antheil widmete, von feindlichen Bomben zerstört, ihre
Fluren weit und breit verwüstet wurden. Die Bürgerschaft, von den
Franzosen nur durch wirkungslose Demonstrationen unterstützt, faßte
den Gedanken, sich an den König von Preußen anzuschließen: sie hat
wirklich einmal angefragt, ob er sie in seinen Schutz nehmen wolle,
wenn sie mit ihren Privilegien zu seinem Throne herzutrete. Ein
Schritt dieser Art wäre aber der damaligen Ordnung der Dinge in
Europa entgegengelaufen, und Friedrich Wilhelm konnte sich nicht
dazu entschließen ?.
Noch wurden ihm von beiden Seiten unaufhörlich Anträge ge-
macht. Einverstanden mit den Großen der Krone, die ihn umgaben,
erbot sich König Stanislaus zu einer Länderabtretung, durch welche
Ostpreußen und Pommern in unmittelbare Verbindung gesetzt wür-
den; die Republik sollte dieselbe später sanctioniren, Frankreich sie
gewährleisten. Noch zu größerem Gewinn machte die Kaiserin Anna
1) Wallenrodt 10. April 1734. Sollten E. K. M. allergnädigst geruhen,
dieser armen Stadt die von allen Puissancen verlassen, und einer so großen
Macht nicht restiren kann sich zu erbarmen und ihr nur einen Strahl könig-
licher Gnade zeigen, so ist die größte Apparence daß sic den polnischen Schutz
verlassen und sich in E. K. M. Protection begeben werden: von Seiten der
Bürgerschaft ist alles dazu disponirt, und auch der Magistrat wäre zu ge-
winnen.