Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

222 Sechstes Buch. Viertes Capitel. 
Berührungen mit fremden Mächten riefen in Friedrich Wilhelm 
das Bewußtsein des Gegensatzes auf, in welchem er zu ihnen stand. 
Gegen den Kaiser machte er geltend, daß er ein souveräner Fürst sei, 
gegen Frankreich, daß er reichsständische Pflichten habe. 
Eine Stellung abermals der Neutralität, doch nicht wie jene 
von 1727, wo Preußen das Zusammentreffen der Mächte verbinderte: 
in der Mitte der schon ausgebrochenen Bewegungen, in die man sogar 
an einer Stelle miteingriff, mußte sie jetzt behauptet werden; nicht 
eben aus Friedensliebe; der König war auf einen isolirten Stand- 
punkt gedrängt, weil er fremden Absichten keinen Einfluß verstatten 
wollte; eigensinnig hielt er ihn ein, aber voll Würde und Mann- 
haftigkeit; in der Ruhe ehrgeizig. Wir sehen das stolze Selbst des 
Staates, Niemandes bedürftig, beruhen äuf seiner eigenen Kraft, 
während die Andern um ihn her ihre Angelegenheit ausfechten. So 
mag sich, wenn wir das Unähnliche vergleichen dürfen, in der Mitte 
parlamentarischer Kämpfe ein seiner Sache sicherer Staatsmann fühlen, 
der sich keiner der streitenden Parteien anschließt, und seine Zeit 
erwartet. 
Im Sommer des Jahres 1735 hat der König selbst einen Ent- 
wurf zu der allgemeinen Pacification gemacht, aus welchem man 
wenigstens sieht, wohin seine Jdeen gingen. Er wünschte, daß beide, 
Stanislaus und August, zurücktreten, und sich mit dem königlichen 
Titel begnügen möchten: die Polen sollten dann zu einer neuen Wahl 
schreiten: bei dieser müßten alle Fremde, Deutsche oder Franzosen, 
ausgeschlossen sein; aus ihrer Mitte aber sollten die Polen wählen 
können, wen sie wollen, ohne alle Einmischung. Bei der damaligen 
Lage der Dinge im südlichen Europa schien auch ihm, daß sich der 
Kaiser nicht weigern könne, Neapel und Sicilien fahren zu lassen: 
aber darum dürfe doch Ludwig XV keine neue Erwerbung gestattet 
werden, vielmehr müsse derselbe die Vermählung des Herzogs von 
Lothringen mit der Erbin von Oesterreich genehmigen. Sollte er es 
verweigern, so sei man in Deutschland noch stark genug ihn zu be- 
stehen; er selbst wolle sich mit aller seiner Macht gegen ihn erheben, 
sein Heer vier Jahre hintereinander gegen ihn im Felde erbalten. 
Die Bedingungen, die er zu eigenem Vortheil aufstellt, sind doch sehr 
bescheiden. Er denkt nicht mehr an Curland, er wiederholt nur die 
schon beim Ausbruch des Krieges aufgestellte Forderung, daß ihm eine 
theilweise militärische Besetzung und vorläufige Huldigung des Herzog= 
thums Berg bewilligt werde.
	        
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