Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Veränderte politische Haltung. 229 
Frieden zwei reiche und wohlgelegene Provinzen, Novarese und Torto- 
nese zu Theil geworden, vermählte sich mit der Schwester des Groß- 
herzogs von Toscana; der neue König von Neapel mit einer Tochter 
des Königs von Polen: zwischen Frankreich und Oesterreich schien nicht 
sowohl ein Friede, als eine Allianz auf immer geschlossen zu sein. 
Von dieser Gegenwirkung befreit, trug der Kaiser um so weniger 
Bedenken, seine Waffen mit den russischen zu vereinigen, in der Hoff- 
nung Eroberungen zu machen, die ihn für die erlittenen Verluste ent- 
schädigen sollten. 
Unter den Motiven, welche für die frühere Politik von Frank- 
reich angeführt wurden, war das vornehmste gewesen, daß es die 
Allianz von Rußland, Polen, Sachsen und Oesterreich nicht dulden 
dürfe; jetzt erkannte es dieselbe an, und gesellte sich ihr mit der 
ganzen Macht seiner Anhänger bei. Der König von Preußen, der 
Alles persönlich faßte, konnte sich über Ludwig XV, der seinen 
Schwiegervater verleugne, ihn aus einem König von Polen zum 
Herzog von Bar mache, nicht zufrieden geben: er wollte den Ge- 
sandten, der ihm von jeher das Gegentheil versichert hatte, nicht mehr 
mit Augen sehen. Der Kronprinz, seine Gedanken auf die Zukunft 
richtend, war noch mehr über Oesterreich erstaunt, das durch das 
Verfahren der Franzosen gegen Stanislaus wohl belehrt sein sollte, 
wie wenig es auf die Versprechungen derselben in Hinsicht der Ga- 
rantie zu trauen habe. Andere bemerkten, so gehe es nun einmal in 
der Welt, darin bestehe die Klugheit der Franzosen, sich nicht durch 
Leidenschaften beherrschen zu lassen, sonder nur ihr Interesse zu 
befolgen, nach diesem heute mit dem einen norgen mit dem andern 
Freundschaft zu halten. 
Bald aber sollte man sich in Berlin von den allgemeinen Be- 
trachtungen auf die dringendsten eigenen Mißverhältnisse verwiesen 
sehen. Als die Waffen wieder ruhten, zeigte zunächst der kaiserliche 
Hof dem preußischen eine Ungunst, die dieser nie erwartete. 
König Friedrich Wilhelm hatte die Verpflichtungen seines ge- 
heimen Tractats sorgfältig erfüllt, seine zehntausend Mann gestellt, 
noch mehr angeboten; an ihm lag es nicht, wenn es nicht zu einer 
Schlacht gekommen war; dennoch erfuhr er jetzt Vorwürfe; besonders 
eins machte man ihm zum Verbrechen, daß er sich geweigert hatte, 
an der letzten Unternehmung des General Seckendorf nach der Mosel 
hin Theil zu nehmen. 
Dazu hatte jedoch der König noch ganz andere Beweggründe, 
als politische.
	        
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