Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

234 Sechstes Buch. Fünftes Capitel. 
Der König erkannte wohl, daß er auf diesem Wege nie dazu 
gelangen würde, seinen Anspruch durchzuführen, und er mußte auf 
andere Mittel Bedacht nehmen. 
Es schien ihm nicht unmöglich, ohne weitere Dazwischenkunft, 
ein Abkommen mit dem Kurfürsten von der Pfalz zu treffen. Gar 
nicht gering lauteten die Erbietungen, die er demselben gemacht hat 
— 1,200,000 Thaler für den Kurfürsten selbst, und für jede seiner 
Prinzessinnen ein Brautschatz von 50,000 Thaler, — sobald er zum 
Besitz von Berg gelange; allein es zeigte sich bald, daß er damit doch 
nicht durchdringen werde. Die Minister des Kurfürsten von der Pfalz 
waren entweder im kaiserlichen oder im französischen Interesse, und 
eilten, diese Vorschläge, über die sie allein berathen sollten, den Höfen 
von Wien und Versailles kundzuthun. Einen einzigen gab es unter 
ihnen, welcher eigene Beschlußnahme gewünscht hätte, Grevenbroich. 
Dieser war es im Grunde, der jene Verhandlungen hervorgerufen, 
allein er genoß lange nicht das Ansehen, das dazu gehört hätte, um 
sie durchzusetzen. Der alte Kurfürst war zu gut katholisch, als daß er 
sich hätte entschließen sollen, die Provinzen einem protestantischen 
Fürsten abzutreten: besser, sagte er, man nehme sie ihm mit Ge- 
walt, dann habe er doch nichts zu verantworten. 
König Friedrich Wilhelm versäumte nicht, sich auch an die beiden 
europäischen Mächte zu wenden, die am wenigsten in diese Dinge 
verflochten gewesen, England und Holland, aber ohne Erfolg. Georg 1I 
erklärte, habe er jemals eine Verpflichtung in dieser Beziehung über- 
nommen, so sei diese durch den Bruch der hannoverschen Allianz 
erledigt. 
Mit Holland sind im Haag langwierige und weitschichtige Unter- 
handlungen gepflogen worden: und wenigstens einmal schien man sich 
einander zu nähern. Der König von Preußen erklärte sich mit einer 
provisorischen Einrichtung bis zur Entscheidung der Sache begnügen 
zu wollen, so daß die Festungen von neutralen Truppen besetzt, und 
das Land zugleich von eingeborenen und preußischen Beamten regiert 
würde; er nannte dies Status quietus. Da aber die Republik seinen 
Vorschlag verwarf, und auf die Erhaltung des Status quo bestand, 
so kehrte auch er auf seinen ursprünglichen Anspruch zurück, im Falle 
der Erledigung unverzüglich Besitz zu ergreifen. 
Statt aber etwas auszurichten, mußte er vielmehr erleben, daß 
sich ihm eine allgemeine Besorgniß und Aufregung entgegensetzte. 
Die Mächte glaubten, daß der Friede in dem inneren Europa 
nunmehr allenthalben auf hinreichend fester Grundlage beruhe: keine
	        
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