Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

236 Sechstes Buch. Fünftes Capitel. 
bringen. Wie sehr hatte man sich einst in Spanien, noch zuletzt in 
Toscana, über ihre Festsetzungen beklagt. Die Frage war nun, ob 
der König von Preußen in den Dingen, die ihn betrafen, sich eine 
solche gefallen lassen werde. Wir sahen, mit welcher Heftigkeit er 
sich von den einzelnen Mächten losriß, wenn sie einen einseitigen 
Einfluß auf ihn ausüben wollten. Aber alle verschiedenen Abwand- 
lungen dieser Ansprüche mußte er durchmachen: was den einzelnen 
nicht gelungen, mutheten sie ihm jetzt vereinigt an. Wie wir Fried- 
rich Wilhelm kennen, dürfen wir nicht zweifeln, daß ihm dies ebenso 
widerwärtig war. Niemals konnte ihm einkommen, über ein Recht, 
worin er das größte Interesse seines Hauses und Landes sah, von 
Andern nach ihren Gesichtspunkten entscheiden zu lassen, ohne daß er 
nur einmal gefragt worden wäre. Er hätte sonst doch mit seinem 
Preußen eingewilligt, eine untergeordnete Macht zu sein, was ihm 
als die Summe des Schimpfes erschien. 
Grumbkow, der durch die Hingebung gegen Oesterreich, welche 
er einst an den Tag gelegt, das Vertrauen nicht verloren, die ent- 
gegengesetzte Wendung der preußischen Politik, ihre Unvermeidlichkeit 
fühlend, mitgemacht hatte, — er war zuweilen gegen Oesterreich eben der 
eifrigste —, wurde in diesem Augenblick noch einmal herbeigezogen. Er 
gab den Rath, eine zugleich ruhige und stolze Haltung anzunehmen 2), 
es darauf ankommen zu lassen, was die Mächte thun würden, — 
und alsdann mit einer oder der andern unter ihnen einen besondern 
Vertrag zu treffen. So schien es auch dem König das Beste. 
Der erste Gedanke war, die eingegebenen Denkschriften lieber 
gar nicht zu beantworten; da das jedoch als eine Beleidigung er- 
scheinen, auf das Publikum einen schlechten Eindruck hätte machen 
können, so gab man eine Antwort, aber eine solche, die sich in ent- 
fernter Allgemeinheit hielt und so wenig wie möglich sagte. 
Die eigentliche Entgegnung lag in den Anstalten, die man in 
der Armee traf, um sie, wenn der Fall eintrete, sogleich ins Feld zu 
führen. Friedrich Wilhelm wollte, sobald der Kurfürst sterbe, eben 
wie es im Jahre 1609 geschehen war, die Civilpossession ergreifen 
lassen; wenn er hiebei gestört werde, so sollte sein ganzes Heer dahin 
vorrücken. Für die östlichen Regimenter bestimmte er Halrstadt, für 
die westlichen Duisburg zum Sammelplatz. Er wollte Alles an 
Alles setzten: „es sei eine Sache des Vortheils, doch noch mehr der 
1) Conduite soutenne sans se baisser ni se bausser ct pousser le 
temps avec I’épaule.
	        
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