244 Sechstes Buch. Fünftes Capitel.
Kälte zittert. Eine seiner Strafen bei den kleineren Besichtigungen
war, daß er von einem nachlässig befundenen Commandeur das ge-
wöhnliche Mittagsmahl anzunehmen verweigerte: er eilte nach dem
nächsten Dorfe fort, wo er sich in der Schenke ein ländliches Gemüse
zurichten ließ oder irgendvo im Schatten von der kalten Küche
aß, die der Fürst von Anhalt mitzubringen pflegte. Wehe dem,
der sich eine Veruntreuung hätte zu Schulden kommen lassen; einen
solchen schützten weder Herkunft noch Rang vor der äußersten, durch
Schimpf geschärften Strafe. Ueberall sehen wir den gebieterischen Lenker
im Kampfe mit den natürlicher Weise abweichenden Hinneigungen
so vieler verschiedener Persönlichkeiten: er weiß sie alle zusammen-
zuhalten. Die Aufsicht, die er führt, bewirkt in der That, daß die
durch die Leichtigkeit des Gewinnes beinahe verführerischen Posten
mit tadelloser Integrität verwaltet werden.
Um die Regierungsweise Friedrich Wilhelms im Allgemeinen zu
würdigen, vergegenwärtigen wir uns noch die Maximen, wie er sie
schon früh in der für seinen Nachfolger bestimmten Instruction auf-
gezeichnet hat. Der religiöse Gesichtspunkt, wie er dem protestan-
tischen Charakter des Staates entsprach, ist bei ihm wie bei seinen
meisten Vorfahren der vorherrschende. Er leitet das Emporkommen
seines Hauses von dem religiösen und sittlichen Verhalten der Alt-
vordern her, die Gott dafür gesegnet habe. Das Wort Gottes aus-
zubreiten, bezeichnet er als eine der wichtigsten Regentenpflichten.
Selbst für die zu schließenden Allianzen gibt er die Regel, daß sie so
wenig gegen den Dienst Gottes wie gegen die Größe des Landes laufen
dürfen. Vornehmlich aber wird die Nothwendigkeit eines sittlich-strengen
Lebens und Wandels betont. Er selbst weiß, daß er mit Gott gut
stehe, zu dem er seit seinen Jünglingsjahren ein volles Vertrauen ge-
hegt habe. Jede Fleischeslust muß vermieden werden; nicht allein alles
Maitressenwesen, sondern auch Schauspiele, Opern und andere Ver-
gnügungen, die dazu Anlaß geben können. An einen untadelhaften
Wandel knüpft sich der Segen Gottes. Wenn man sich zu einem Kriege
entschließen will, so muß derselbe ein gerechter sein, denn Gott gibt
dem Soldaten ein Herz und nimmt es wieder. Der König meint,
man habe das bei dem Kriege August II deutlich gesehen; den sonst
so braven Sachsen sei der Muth angesichts der Schweden entfallen.
Hauptsächlich schärft er ein, daß Gott den Regenten nicht darum
eingesetzt habe, um seine Tage in Genuß zuzubringen, wie die meisten
thun, sondern um seine Länder wohl zu regieren. „Zur Arbeit sind die
Regenten erkoren; will aber ein Fürst Ehre erwerben und mit Ehren